Antrag verabschiedet
Bundestag will Wahlrecht für vollbetreute Behinderte
BERLIN. Menschen, die in allen Angelegenheiten betreut werden, sollen nicht länger pauschal von Wahlen ausgeschlossen werden. Nach monatelangem Ringen verabschiedete der Bundestag am Freitag einen Antrag der Koalitionsfraktionen, eine entsprechende Reform des Bundes- und des Europa-Wahlrechts zu erarbeiten.
Danach sollen – für ein inklusives Wahlrecht – die im Bundeswahlgesetz und im Europawahlgesetz bestehenden Wahlrechtsausschlüsse aufgehoben werden.
Grundsätzlich bestand großes Einvernehmen im Bundestag, dass die Änderung notwendig ist. Allerdings gingen die Vorstellungen auseinander, wie das geschehen soll.
Dies spiegelte sich offenbar im Abstimmungsergebnis wider. Der Antrag der Koalitionsfraktionen kam auf 345 von 585 abgegebenen Stimmen. Dagegen votierte niemand, die anderen 240 Abgeordneten enthielten sich.
Die Vorsitzende der Bundesvereinigung Lebenshilfe und SPD-Abgeordnete Ulla Schmidt sprach von einem Erfolg. Seit drei Jahrzehnten wird darum gestritten.
Menschen, die unter Vollbetreuung stehen, sollen nun eine Assistenz an die Seite bekommen, um frei und selbstbestimmt wählen zu können. Mehrere Abgeordnete kritisierten in der Debatte, dass die Neuregelung nicht rechtzeitig zur Europawahl am 26. Mai in Kraft treten wird.
Bisher können geistig oder psychisch beeinträchtigte Menschen unter bestimmten Umständen von Wahlen ausgeschlossen werden. 2013 betraf das nach Angaben des Bundesverfassungsgerichts 82.220 Menschen. Karlsruhe hatte Anfang des Jahres entschieden, dass die Wahlrechtsausschlüsse unrechtmäßig sind.
Zwar hatten sich SPD und Union bereits im Koalitionsvertrag auf eine Reform und für November auf einen konkreten Vorschlag geeinigt. Doch die Union forderte dann noch eine Prüfung: Wenn jemand bei der Ausübung des Wahlrechts Hilfe braucht, sollte das Betreuungsgericht entscheiden, ob der Betroffene wählen kann. Das wollte die SPD nicht mitmachen.
Einige Bundesländer haben bereits Wahlausschlüsse aufgehoben, weitere wollen nach Angaben von Ulla Schmidt nachziehen. (dpa)