Vier Jahre nach erstem Lockdown in Deutschland
Corona: Drosten zieht positive Bilanz und fordert mehr Evidenz
Vier Jahre nach dem ersten Corona-Lockdown gibt es an der Sinnhaftigkeit von Ladenschließungen und Hygienekonzepten Zweifel. Charitè-Virologe Christian Drosten wünscht sich mehr Evidenz und gesellschaftliche Aufarbeitung.
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Professor Christian Drosten ist mit der deutschen Coronastrategie nicht unzufrieden (hier bei der Preisverleihung der „Einstein Foundation Awards" im März).
© Jens Kalaene/dpa
Berlin. Vier Jahre nach Beginn des ersten Corona-Lockdowns in Deutschland hat Professor Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charitè in Berlin, eine insgesamt positive Bilanz der deutschen Krisenstrategie gezogen. „Aus medizinischer Sicht sind wir gut durch die Pandemie gekommen“, sagte er im Deutschlandfunk am Freitag. Eine gesellschaftliche statt politische Aufarbeitung der Krisenstrategie hält er für sinnvoll.
Am 22. März 2020 war der erste Corona-Lockdown in Deutschland in Kraft getreten. Die Folge waren weitreichende Kontaktbeschränkungen. Das öffentliche Leben kam weitgehend zum Erliegen. Die Maßnahmen sollten dabei helfen, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen.
„Deutsches Wunder“
Die deutsche Reaktion auf die erste Welle sei international gelobt worden - sie habe als deutsches Wunder gegolten, sagte Drosten. Es sei mit „relativ milden Bekämpfungsmaßnahmen“ gelungen, dass es in der ersten Welle nur eine sehr niedrige Zahl von Todesfällen gegeben habe.
Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass Versammlungs- und Ausgangsbeschränkungen, Homeoffice-Regelungen, Schulschließungen, Maskengebote sowie die Testpflichten und Kontaktverfolgung erfolgreich gewesen seien. Schlechte Evidenz gebe es bei der Schließung von Geschäften. Auch der Erfolg der Hygienekonzepte seien aus Sicht der Wissenschaft bisher nicht geklärt. „Die Evidenz ist manchmal auch deswegen wackelig, weil die Studien dazu nicht gut genug angelegt waren“, sagt Drosten.
Unnötige Bühne für Corona-Skeptiker
Am Mittwoch hatte die FDP erneut auf eine Aufarbeitung der Corona-Politik in einer Kommission des Bundestages gedrängt. In einem Schreiben an die Fraktionsführungen von SPD und Grünen bitten FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann und FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki, in Gespräche über die Einsetzung einer Enquete-Kommission einzutreten.
Davon hält Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nicht viel: „Eine Enquete Kommission ist typischerweise eine sehr politisch aufgeladene Angelegenheit“, sagte er am Freitag im ZDF-“Morgenmagazin“. Man würde dort politisch agieren und weniger wissenschaftlich bearbeiten.
Drosten würde sich einen gesellschaftlichen Aufarbeitungsprozess anstatt einer Enquete wünschen. „Eine politische Kommission würde eher dazu führen, dass bestimmte Kräfte da eine Bühne bekommen, die gar nicht im Zentrum der Diskussion stehen sollten“, sagte der Virologe im Deutschlandfunk. (dpa)