Der Beginn der Ära von Serumtherapie und Impfung

Von Wolfgang U. Eckart Veröffentlicht:

Der "Retter der Kinder" (Diphtherie-Serum) - im Ersten Weltkrieg der "Retter der Soldaten" (Tetanus-Serum) - wurde am 18. Januar 1901 in den Adelsstand erhoben und erhielt am 30. Oktober 1901 "für seine Arbeiten über Serumtherapie und besonders für deren Anwendung gegen Diphtherie" den ersten Nobelpreis der Medizin. Wie kein anderer hat Emil von Behring (1854 bis 1917) zur Weiterentwicklung der Bakteriologie und deren Erweiterung um die Immun- und Serumtherapie beigetragen.

Selbstverständlich hatte die bakteriologische Forschung in ihrer frühen Entwicklungsphase der Erregernachweise nicht stehen bleiben können. Bereits in den 1880er Jahren wuchs besonders das Interesse an spezifischen Bakteriengiften, den Toxinen. Erste Ergebnisse zur Wirkungsweise der Tetanustoxine legte 1890 Knud Faber (1862 bis 1956) vor. Immunisierungsversuche an Tieren, wie sie vor allem durch die Koch-Schüler und -Mitarbeiter Behring und Shibasaburo Kitasato (1852 bis 1931) vorangetrieben wurden, belegten im gleichen Jahr die Bildung von Antitoxinen und markierten damit den Anfang der serumtherapeutischen Ära.

Die Grundidee der vor allem von Behring entwickelten Blutserumtherapie fußte auf der Annahme, daß es gelingen müsse, die Erreger von Infektionskrankheiten nicht mit biodesinfizierenden Chemikalien, sondern mit Antitoxinen, also mit solchen Gegengiften zu bekämpfen, die vom Körper selbst in der Abwehrreaktion produziert würden. Behring richtete sein besonderes Augenmerk auf die Bekämpfung der häufig infaust verlaufenden Diphtherie und versuchte, ein Diphterie-Serum zu entwickeln. Schon in den 1890er Jahren waren diese Versuche von Erfolg gekrönt: Zum ersten Male gelang es, diphtheriekranke Kinder erfolgreich zu behandeln.

Nach seiner Berufung zum Professor für Hygiene und zum Leiter des Hygiene-Instituts an der Universität Marburg im Jahre 1895 setzte Behring seine Forschungen fort und verbesserte das Serum. Im Jahre 1901 wurde er für diese Leistungen durch den ersten Medizinnobelpreis geehrt.

In den folgenden Jahren entwickelte Behring darüber hinaus auch einen Impfstoff gegen die Diphtherie und ein wirksames Tetanus-Prophylaktikum. Die erste dauerhaft wirksame Diphtherie-Schutzimpfung durch eine aktive Immunisierung erfolgte im Jahre 1913. Behrings Tetanus-Prophylaxe wurde während des ersten Weltkrieges erstmalig breit eingesetzt. Damit waren zu der auf Vorarbeiten Pasteurs fußenden aktiven Immunisierung durch Vakzination nun auch die neuen Möglichkeiten zur passiven und schließlich zur aktiven Immunisierung getreten.

Besonders die beiden letzten Methoden wurden in den ersten Jahrzehnten nach der Jahrhundertwende verfeinert und um neue Impfstoffe bereichert. Die Impfgeschichte beginnt im strengen Sinne erst mit Emil von Behring und ist ohne seine entscheidenden Entwicklungsbeiträge nicht denkbar.

Professor Wolfgang U. Eckart leitet das Institut für Geschichte der Medizin der Universität Heidelberg.

Lesen Sie dazu auch: Ein streitsüchtiger, aber kommunikativer Forscher und Unternehmer

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Neurologen-Kongress

Post-COVID-Therapie: Von der Forschung in die Praxis

Exklusiv bvitg schreibt ans BMG

Verzögert sich die Einführung der elektronischen Patientenakte jetzt doch?

Lesetipps
Bundesgesundheitsminister Lauterbach blick betroffen drein.

© picture alliance / imageBROKER / Arnulf Hettrich

Nach dem Crash

Ampel-Aus: Gesundheitsreformen stehen auf der Kippe

Ein KI-Bild eines verstopften Hirngefäßes.

© © freshidea / stock.adobe.com

DGN-Kongress

Schlaganfall: Wandel in der Lysetherapie