Porträt

Dr. Cornelia Klisch: Zwischen Medizin und Landespolitik

Die niedergelassene Neurologin Cornelia Klisch prägt als SPD-Landtagsabgeordnete die Thüringer Corona-Politik mit.

Von Katrin Zeiß Veröffentlicht:
Dr. Cornelia Klisch bei der Arbeit im Gesundheits- und Sozialausschuss des Landtages, dessen Vorsitzende sie ist.

Dr. Cornelia Klisch bei der Arbeit im Gesundheits- und Sozialausschuss des Landtages, dessen Vorsitzende sie ist.

© Michael Reichel / dpa

Erfurt. Der Mai-Wind bläst kühl, ein kräftiger Regenguss ist im Anmarsch, als die Neurologin Dr. Cornelia Klisch durch die Tür ihrer „Politik-Praxis“ in Erfurt schlüpft. Hinter ihr liegt die Sprechstunde in ihrer Facharztpraxis, in der sie seit 2005 niedergelassen ist.

„Politik-Praxis“ heißt passenderweise das Bürgerbüro der Medizinerin, die im „Zweitberuf“ seit gut eineinhalb Jahren SPD-Landtagsabgeordnete in Thüringen ist. Ihr Alltag spielt sich zwischen Medizin und Landespolitik ab. Dass der Landtag ungefähr in der Mitte zwischen ihrer Arzt- und Politik-Praxis liegt, beschreibt ihre aktuelle Situation auch räumlich. Zwei Pole, aktuell fast nur ein Thema: Corona.

Als Ärztin bekommt sie es neuerdings zunehmend mit Long-Covid-Patienten zu tun. Und im Landtag leitet die 48-Jährige den Gesundheits- und Sozialausschuss, der in der Corona-Pandemie besondere Aufmerksamkeit erfährt. Hier müssen die Thüringer Corona-Verordnungen durch, bevor sie von Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) verkündet werden.

„Als ich anfing, hat keiner geahnt, dass das ein so wichtiger Ausschuss werden würde“, erinnert sich Klisch, die eine von vier Human- beziehungsweise Zahnmedizinern unter den Thüringer Abgeordneten ist.

Corona schien noch weit weg

Und Thüringen hat mit sich und einer Regierungskrise zu tun, nachdem eine Landtagsmehrheit im Februar 2020 den FDP-Politiker Thomas Kemmerich zum Regierungschef wählt – maßgeblich mit Stimmen der AfD. Der tritt nach bundesweiter Kritik und Protesten schon kurz darauf zurück. Vier Wochen später haben sich Rot-Rot-Grün und CDU auf eine Stabilitätsvereinbarung geeinigt.

Als der Linke Bodo Ramelow am 4. März doch wieder Ministerpräsident wird, ist die Pandemie angerollt. Politisch sei sie damit „richtig ins Wasser geworfen worden.“ Als Ärztin bekommt sie es mit einem großen Corona-Ausbruch in einem von ihr betreuten Pflegeheim zu tun.

Der Gesundheitsausschuss tagt oft gemeinsam mit dem Bildungsausschuss, denn es geht darum, ob und unter welchen Voraussetzungen Schulen und Kindergärten geöffnet werden können.

Für manche zu lasch, für manche zu hart

Bis die von den ständigen Alleingängen der Länder genervte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die „Notbremse“ zieht, geht hier auch Thüringen relativ großzügig mit Öffnungen um. Auch dann noch, als sich der ländlich geprägte Freistaat zum absoluten Corona-Hotspot unter den Bundesländern entwickelt.

Die Kritik am von manchen als zu lasch, von anderen als zu hart empfundenen Kurs der rot-rot-grünen Landesregierung kommt auch im Ausschuss nicht zu kurz. Er habe so manches dicke Brett bohren müssen, um die Verordnungen der Landesregierungen so zu verbessern, dass sie auch verständlich und praktisch anwendbar seien, sagt Klisch. „Anfangs sollten Kinder nur ohne Begleitpersonen zusammenkommen dürfen. Wie soll das bitte bei Kleinkindern funktionieren?“

Verbesserungsbedarf sieht sie noch immer, vor allem bei der Transparenz von Öffnungsschritten. Es gehe schließlich um Akzeptanz der Regelungen. Dennoch; „Bei allem, was schiefgelaufen ist, ist auch viel gut gelaufen.“ Hoffnung machen ihr vor allem die Fortschritte bei den Impfungen gegen COVID-19, in die sie in ihrer Praxis im Juni einsteigen will. Respekt verlangen ihr die in der Pandemie extrem belasteten Familien ab.

Ungewöhnliche Konstellation im Thüringer Landtag

Die geschiedene Mutter eines 17 Jahre alten Sohnes und einer 19-jährigen Tochter weiß, wie schwer es sein kann, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. „Das hat mich seinerzeit in die Politik, in die SPD gebracht.“ In die trat sie ein, als sie von Freiburg, wo sie nach dem Medizinstudium in Jena in einer Klinik arbeitete und es keine von ihr so dringend benötigten Krippenplätze gab, wieder nach Erfurt zurückkehrte.

Mit der Niederlassung – sie übernahm die Praxis einer in den Ruhestand gegangenen Kollegin und betreibt sie jetzt als Praxisgemeinschaft mit einer Psychiaterin – habe sich Arbeit und Beruf besser miteinander vereinbaren lassen. Und auch die Politik. Nach Jahren im Erfurter Stadtrat vertritt sie jetzt im Landtag einen Wahlkreis mit 25.000 Einwohnern im Südosten von Erfurt, zu dem das gepflegte Reihenhaus ebenso gehört wie ein Plattenbauviertel, in dem sich Neonazis breit gemacht haben.

Die ungewöhnliche Konstellation im Thüringer Landtag mit einer faktischen Tolerierung von Rot-Rot-Grün durch die oppositionelle CDU bringt zuweilen bemerkenswerte Ergebnisse zustande. Für Klisch besonders wichtig: die mit breiter Mehrheit beschlossene Aufstockung der Medizinstudienplätze an der Uni Jena und eine damit verbundene Quote für Bewerber, die sich vorab zur späteren Arbeit als Haus- oder Fachärzte in einem Unterversorgungsgebiet verpflichten. Den ursprünglichen FDP-Antrag haben Rot-Rot-Grün und CDU aufgegriffen. Klisch: „Wir hatten das ja alle im Wahlprogramm stehen.“

Lehren aus der Pandemie ziehen

Im September ist nach der Vereinbarung von Regierungskoalition und CDU nun die vorgezogene Landtagsneuwahl geplant, ganz sicher ist das bisher noch nicht. Aber Cornelia Klisch will auf jeden Fall wieder antreten.

Ein Thema hat sie schon im Blick. Thüringen braucht demnächst einen neuen Krankenhausplan. Und darin sollen, wenn es nach ihr geht, die Lehren aus der Pandemie gezogen werden. „Mehr Spezialisierung in weniger Häusern und eine gute Grundversorgung auf dem Land.“

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