Absurde Arbeiten

Forschungsmüll oder "kuhle" Studie?

Forschung ist teuer - und liefert häufig absurde Studien: Welchen Erkenntniswert haben zum Beispiel Untersuchungen, bei denen geklärt wird, ob Kühe sich eher hinlegen, wenn sie länger stehen?

Von Teresa Dapp Veröffentlicht:
"Steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Kühe sich hinlegen, je länger sie stehen?" - Skurrile Studien können den Ig-Nobelpreis für absurde Arbeiten erlangen.

"Steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Kühe sich hinlegen, je länger sie stehen?" - Skurrile Studien können den Ig-Nobelpreis für absurde Arbeiten erlangen.

© Sybil / Fotolia

BERLIN. "Früher haben sich Paare auch schon über Sex und Geld gestritten." Das ist keine bahnbrechende Erkenntnis? Dies ist immerhin an der renommierten Harvard-Universität in den USA erforscht worden.

Der Verfasser hat die Essenz seiner historischen Arbeit ins Netz gestellt: Im Blog "LOL My Thesis", in dem die Biologiestudentin Angela Frankel Forschungsergebnisse in einem Satz sammelt. "Quallen mögen es nicht, wenn man Säure in ihr Aquarium kippt", schreibt darin etwa ein Meeresbiologe aus Schottland.

Rund 26.800 Menschen haben 2012 nach Angaben des Statistischen Bundesamts in Deutschland ihre Promotion abgeschlossen. Wer in der Wissenschaft etwas werden oder bleiben will, kommt um die Produktion mehr oder weniger relevanter Thesen nicht herum.

"Die finanzielle Belohnung hängt davon ab, wie viel und wo ich publiziere", sagt der Direktor des Deutschen Cochrane Zentrums, Professor Gerd Antes. Viele Anreize setzten auf Quantität statt auf Qualität - auf Kosten der wissenschaftlichen Relevanz und manchmal der Korrektheit.

Fachübergreifendes Problem

Es sei ein fächerübergreifendes Problem, betont Antes, aber nicht überall mit gleich gravierenden Folgen: "In vielen Fächern geht Verschwendung auf den Geldbeutel, in der Medizin kann es Krankheit und schlimmstenfalls Tod für Patienten bedeuten." Studien, die nicht das gewünschte Ergebnis brächten, würden oft geschönt oder fielen unter den Tisch.

Oft seien Erkenntnisse nicht sensationell genug, dass sich Fachmagazine und Journalisten darauf stürzen. "Alle hängen davon ab, dass das, was sie machen, möglichst aufregend ausschaut."

Antes ist mit seiner Kritik nicht allein. Über falsche Anreizsysteme und daraus entstehenden "Forschungsmüll" klagten zuletzt zahlreiche Wissenschaftler (The Lancet 2014; online 8. Januar).

Und der britische Physiker Peter Higgs, der 2013 den Nobelpreis erhielt, bekannte in der Londoner Zeitung "The Guardian", für eine Karriere im heutigen akademischen System wäre er nicht produktiv genug.

Ob eine Idee förderungswürdig ist, entscheidet die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) viele Tausend Male pro Jahr. "Man könnte fast sagen, die DFG tue nichts anderes, als erstklassige Forschung von weniger guter Forschung zu unterscheiden", sagt Präsident Professor Peter Strohschneider.

Von etwa 18.500 Anträgen auf Förderung im Jahr 2012 lehnte die Gesellschaft immerhin rund 63 Prozent ab. "Wissenschaftliche Qualität und Relevanz" seien die entscheidenden Kriterien, erklärt Strohschneider. Das könnte mit gesellschaftlicher, ökonomischer oder auch politischer Relevanz einhergehen - "muss es aber nicht".

Auf Relevanz und Bedarf achten

Aus Antes‘ Sicht braucht die Forschung auch in Deutschland Anreizsysteme, die stärker als bisher Relevanz und Bedarf berücksichtigen. "Die Wissenschaft allein wird es nicht richten", sagt er und sieht auch die Politik in der Pflicht.

Das britische National Institute for Health and Care Excellence (NICE) habe etwa eine "Datenbank der Lücken" zu medizinischen Themen erstellt - ein sinnvoller Ansatz in seinen Augen.

Fraglich sei allerdings, ob der Nutzen-Maßstab tatsächlich auf jedes Fach anwendbar ist. "Ich glaube, das ist bei den Geisteswissenschaften sicherlich schwieriger, die harte Skala Tod und Krankheit gibt es dort nicht", so Antes.

So überflüssig manche Studien erscheinen - Preise lassen sich auch mit skurrilen Themen abräumen. Jedes Jahr vergibt die Zeitschrift "Annals of Improbable Research" (deutsch: Jahrbuch für unwahrscheinliche Forschung) Ig-Nobelpreise für absurde Arbeiten.

"Steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Kühe sich hinlegen, je länger sie stehen?" hieß eine der ausgezeichneten Arbeiten 2013. Eine andere: "Wer sich für betrunken hält, denkt auch, er sei attraktiv." (dpa)

Jetzt abonnieren
Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Kommentare
Dr. Horst Grünwoldt 03.02.201415:46 Uhr

Wissenschaftliche Forschung

Ist die Grundlagenforschung tatsächlich in jedem Falle "zweckfrei"?
Sie versucht jedoch stets wissens- oder erkenntnisoffene (vernünftige!)Fragen zu beantworten. Sie ist damit im Selbstverständnis auch immer ergebnis- und zielorientiert. Immer ist Verifikation (Wahrheitsprüfung) und Validierung (Bewertung) der Forschungsmethode und der Ergebnisse gefordert. Dabei kann im einzelnen auch mal Nonsens herauskommen.
Und wenn etwas wirklich Neues von besonderem Erkenntnis-Wert erforscht wird, gibt es dafür sogar einen Nobelpreis. Das ist in Deutschland -trotz erheblicher Forschungsförderung- in den zurückliegenden Jahrzehnten eher selten geschehen. Woran mag das wohl liegen? ---
Vor allem an der Qualität/ Kapazität des einzelnen Forschers und seiner intelligenten Fragestellung, die schon Aufschluß darüber gibt, ob es sich um einen Utopisten oder begabten Denker handelt!
Zu oft produzieren (geförderte) Forschungsvorhaben in unserem Lande aber nicht viel mehr als ein "paper", auf dem auch noch eine ganze Kohorte von "co-workern" erscheinen. So kann offensichtlich der Antragsteller und Autor sich -beim externen Zweifel über das Ergebnis der Arbeit und deren Verifikation- des kollektiven Beistands sicher sein.
Ein ganz heißes Eisen dürfte der Bereich der sog. Auftragsforschung sein. Dabei wird stets gezielt nach einem greifbaren Ergebnis gesucht, das für den kostentragenden Auftraggeber verwertbar sein soll.
Für den Fall, daß der Auftragnehmer (Forschungs-Institut) nicht wirklich (finanziell) unabhängig ist, besteht die allergrößte Gefahr, daß die Ergebnisse geschönt oder sogar "hingebogen" werden.
Das passiert in unseren staatlichen Universitäten natürlich nicht. Die sind aufgrund ihrer Unabhängigkeit stets auch in der Lage, dem privaten Auftraggeber zu erklären: "Wir konnten die Hypothese nicht bestätigen"!
Können dies unsere sog. "Stiftungs"-Hochschulen auch noch leisten?
Dr. med. vet. Horst Grünwoldt, Rostock

PD Dr. Thomas Weiser 03.02.201409:03 Uhr

Grundlagenforschung ist zweckfrei!

1.) Es liegt im Wesen des Menschen, Neues zu entdecken.
2.) Grundlagenforschung ist primär zweckfrei.
3.) Zuverlässige Methodebn zur Vorhersage der Zukunft wurden bisher leider noch nicht entwickelt.
4.) Der Weg zur Erkenntnis (und zur Erkenntnis, was wichtig war und was nicht) wird daher auch in Zukunft über "Versuch und Irrtum" führen.
5.) Man sollte Prozesse ökonimisieren, bei denen es sinnvoll ist. Das trifft für Grundlagenforschung gerade NICHT zu!

Daher wünsche ich mir, dass es auch weiterhin (scheinbar) absurde Forschungsarbeiten geben wird.

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Hinweis aus Registerstudie

Welchen Einfluss NSAR auf das Nierenkrebs-Risiko haben

Leitlinien-Update

Polymyalgia rheumatica: Aktualisierte Empfehlungen sind online

Lesetipps
Eine Ärztin tastet den Hals einer Frau zur Diagnose von Schilddrüsenerkrankungen und Hypothyreose ab.

© Peakstock / stock.adobe.com

US-Review

Wie mit latenter Hypothyreose bei älteren Patienten umgehen?

Schneider-Rathert

© Porträt: Antje Boysen/DEGAM | Spritze: Fied

Sie fragen – Experten antworten

Ist eine Grippe-Impfung sinnvoll bei einem immunsupprimierten über 60-Jährigen?