Position des Behindertenbeauftragten

„Geistig behindert“? Beauftragter regt andere Bezeichnung an

Nach vielen Gesprächen mit Fachleuten und Verbänden hat der Bundesbehindertenbeauftragte Empfehlungen für mehr Teilhabe vorgelegt. Dabei geht es vor allem um eine Gruppe – von der Sprache bis zum Schutz vor Gewalt.

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Empfiehlt, künftig die Bezeichnung „Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen“ zu verwenden: Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Jürgen Dusel.

Empfiehlt, künftig die Bezeichnung „Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen“ zu verwenden: Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Jürgen Dusel.

© Michael Kappeler/dpa

Berlin. Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Jürgen Dusel, wendet sich gegen die Bezeichnung „Menschen mit geistiger Behinderung“. Der Begriff werde von einem Großteil der so bezeichneten Menschen als diskriminierend und abwertend empfunden, heißt es in Empfehlungen Dusels für mehr Teilhabe, die er am Mittwochabend in Berlin Vertretern von Bundesregierung und Landespolitik übergab.

Nötig sei eine Diskussion zu dem Begriff im Bundestag spätestens dann, wenn dieser sich mit der Novellierung des Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung befasse.

In Anlehnung an die englischsprachige Originalfassung der UN-Behindertenrechtskonvention verwendet der Beauftragte selbst in seinen Empfehlungen zunächst die Bezeichnung „Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen“. Dusels Vorschläge nehmen besonders die Teilhabe dieser Gruppe in den Fokus.

„Keine gleichwertigen Bedingungen in allen Lebensbereichen“

Deutschland habe die UN-Konvention 2009 ratifiziert, sei von ihrer Umsetzung aber noch weit entfernt, kritisierte der Beauftragte. „Von gleichwertigen Bedingungen in allen Lebensbereichen kann trotz mancher Fortschritte noch keine Rede sein.“ An erster Stelle stehe für ihn die Verpflichtung des privaten Sektors, barrierefreie Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Freiwillige Lösungen hätten sich leider nicht bewährt. Diese Verpflichtung betreffe alle Lebensbereiche vom Gesundheitssystem über Arbeitsplätze bis zu Restaurants und Freizeitangeboten. Alle Menschen könnten davon profitieren – „unabhängig davon, ob oder welche Art von Behinderung sie haben“ .

Konkret empfiehlt Dusel etwa, dass alle Beschäftigten im Gesundheitswesen im Umgang mit Menschen mit Behinderungen geschult werden sollten. Arztpraxen und andere Gesundheitseinrichtungen müssten barrierefrei werden, Informationen in leichter und verständlicher Sprache verfügbar sein. Bildung dürfe nicht „automatisch“ von der Förderschule in eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung führen. Stattdessen brauche es mehr und bessere Unterstützung, um in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu kommen.

Im digitalen Bereich fordert der Beauftragte, Barrierefreiheit bei der Entwicklung von Anwendungen von Beginn an mitzudenken. Für Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen sei zudem der Einsatz von Digitalassistenzen nötig.

Aktionsplan für barrierefreies Gesundheitswesen

Angehörige dieser Gruppe würden besonders häufig Opfer von Gewalt und sexualisierten Übergriffen, mahnte Dusel. Daher seien zu ihrem Schutz bessere Aufklärung und Prävention in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen sowie barrierefreie Anlauf- und Beschwerdestellen nötig.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kündigte an, im Sommer einen Aktionsplan für ein barrierefreies Gesundheitswesen vorzulegen. Arztpraxen und Krankenhäuser müssten sich besser auf Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen einstellen.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) versprach, die Chancen von Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weiter zu erhöhen und Barrieren abzubauen. „Die Teilhabe von Menschen mit Behinderung ist ein Menschenrecht“, sagte er. (KNA)

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