6. Februar – Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung

Genitalverstümmelung: Afrikas grausame Tradition

Jährlich werden Millionen Mädchen an den Genitalien verstümmelt: ohne Narkose, Wundversorgung und gegen ihren Willen. Der Internationale Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung soll darauf aufmerksam machen.

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Medizinstudentinnen zeigen an der Edna Adan Universität in Hargeisa, Somaliland, wie weibliche Genitalverstümmelung Geburten beeinflusst (Archivbild).

Medizinstudentinnen zeigen an der Edna Adan Universität in Hargeisa, Somaliland, wie weibliche Genitalverstümmelung Geburten beeinflusst (Archivbild).

© Brian Inganga / Associated press / picture alliance

Hargeisa. Es ist dieses eine Thema, das Edna Adan auf dem afrikanischen Kontinent bekannt gemacht hat. Im damals noch vereinten Somalia nannte die heute 85-Jährige als erste Frau die weibliche Genitalverstümmelung öffentlich beim Namen. In ihrer Biografie beschreibt sie detailliert, wie sie diese als junges Mädchen selbst erlebt hat und wie krank sie danach wurde.

Edna Adan, die heute 85-Jährige nannte als erste Frau die weibliche Genitalverstümmelung öffentlich in Somalia beim Namen. (Archivbild aus 2022)

Edna Adan, die heute 85-Jährige nannte als erste Frau die weibliche Genitalverstümmelung öffentlich in Somalia beim Namen. (Archivbild aus 2022)

© Brian Inganga / Associated press / picture alliance

Mehr als 30 Jahre später erlebte sie Ende der 1970er Jahre erstmals, dass während einer Konferenz der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Sudans Hauptstadt Khartum über die gravierenden Folgen gesprochen wurde.

Die Krankenschwester und Hebamme hatte ihre Mission gefunden. In Somalia wurde damals wohl fast jedes Mädchen der brutalen Praxis unterzogen. Mittlerweile liege die Zahl bei gut 50 Prozent, sagt die Aktivistin und Gründerin des gleichnamigen Krankenhauses in Hargeisa. Einerseits klingt das wie ein Erfolg. Doch Edna Adan sagt: „Es ist nicht der Erfolg, den ich mir erhofft hatte.“

Es fehlen verlässliche Zahlen

Denn noch immer leiden viele Mädchen in ihrer Heimat – im von Somalia abgespaltenen, aber international nicht anerkannten Somaliland – physisch und psychisch unter dem traditionellen Eingriff, der sich nicht durch Religion begründen lässt. In zahlreichen muslimisch geprägten Ländern Afrikas wie Marokko, Algerien und Tunesien ist weibliche Genitalverstümmelung unüblich. Allerdings fehlen häufig verlässliche Zahlen.

Nach Angaben des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (Unicef) leben heute mehr als 200 Millionen betroffene Mädchen und Frauen in 31 Ländern. Die WHO unterscheidet verschiedene Formen: schädliche Eingriffe ohne medizinischen Grund wie das Einschneiden oder Einstechen in Genitalien bis hin zur vollständigen Entfernung der Klitoris. Die so traktierten Frauen werden überdies in etlichen Fällen „zugenäht“, Geschlechtsverkehr ist dann nahezu unmöglich.

Aufklärung bringt mehr als lauter Protest

Den Akt der Verstümmelung nehmen meist Frauen ohne medizinische Ausbildung, sterilisierte Messer und ohne Betäubung vor. Die Schmerzen werden als unerträglich beschrieben, und Wunden entzünden sich oft. Es kommt zu bleibenden Schäden.

In Mali, wo die Rate ebenfalls bei knapp 87 Prozent liegt, kämpft Virginie Mounkoro gemeinsam mit Krankenschwestern und Ärzten gegen das grausame Ritual. Ihre Organisation „Vereinigung für die Förderung der Rechte und des Wohlbefindens der Familie“ gelangt zu dem Fazit: Lauter Protest bringt wenig, Aufklärung über die medizinischen Konsequenzen aber durchaus etwas. Doch bisher sei der Erfolg überschaubar: „Als wir begannen, lag die Rate noch bei 98 Prozent“, sagt Mounkoro.

Häufig hilft es, wenn bekannte und geschätzte Frauen öffentlich erzählen, wie sie Genitalverstümmelung selbst als Mädchen erleiden mussten. Im Niger macht das die international populäre Sängerin Fati Mariko. Von ihr stammt der Kurzfilm „Die Stille des Messers“, der schonungslos Einblicke in die Leidensgeschichte der Opfer vermittelt.

Die Tränen kamen erst später

„Sieben Jahre alt war ich damals, und ich konnte nichts dagegen machen“, erzählt Mariko. Auch ihre Mutter erinnert sich: „Sie hat anschließend Geschenke bekommen und gar nicht geweint.“ Die Tränen seien erst später gekommen – und dann immer wieder, ein Leben lang.

Mittlerweile gibt es Fortschritte auch auf rechtlicher Ebene. Der Niger hat 2003 ein Gesetz erlassen, das die Praxis mit Gefängnisstrafen von sechs Monaten bis zu 20 Jahren unter Strafe stellt. Unicef nannte die Initiative damals „bemerkenswert“. Das Land könne so der erste westafrikanische Staat sein, der dem Ritual ein Ende setzt. Seit Inkrafttreten des Gesetzes liegt die Zahl der Betroffenen nur noch bei zwei Prozent.

Nicht nur ein Thema in Afrika

Genitalverstümmelung muss aber auch auf europäischem Boden ein Thema sein. Gewalt gegen Mädchen und Frauen sei nicht hinnehmbar, erklären Ulle Schauws, Sprecherin für Familie, Frauen, Senior*innen, Jugend, Queer, und Susanne Menge, Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung von der Grünen-Bundestagsfraktion in einer Mitteilung vom Samstag. „Die Ampel-Regierung hat sich zu einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik bekannt. Einer ihrer Grundpfeiler ist die Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt“, heißt es.

Und weiter: „Wir setzen uns auch auf nationaler Ebene mit Nachdruck gegen Gewalt an Mädchen, Frauen und anderen diskriminierten Menschen im eigenen Land ein.“ Die Ampel-Koalition wolle dafür sorgen, dass weibliche Genitalverstümmelung in Deutschland konsequent strafrechtlich verfolgt werde. (KNA/eb)

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