Ausstellung zu Aids-Toten

HIV: Gedenken als Patchwork

„In the Name of Love!“ heißt die Sonderschau des Deutschen Medizinhistorischen Museums in Ingolstadt zum Thema Aids. Sie behandelt den Umgang mit der Pandemie und ihren Opfern – und weist viele aktuelle Bezüge auf.

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Ein Gedenktuch an durch Aids Gestorbene im Deutschen Medizinhistorischen Museum.

Ein Gedenktuch an durch Aids Gestorbene im Deutschen Medizinhistorischen Museum.

© Hubert P. Klotzeck

Ingolstadt. Die Tücher zeigen das bunte Leben – und zeugen vom Tod. Sonnenblumen und lila-grün-gelbe Schmetterlinge sind auf ihnen zu sehen, springende Delfine, eine anmutige Lotosblüte. Die Stoffe erinnern an das, was Verstorbene mochten, daran, wie sie waren. „Die Farben auf dem Gedenktuch sind strahlend, weil Marcos Aussehen das auch oft war“, heißt es etwa von Jan Langenberg über jenes Stück, das er für seinen Lebensgefährten Marco Ex gestaltet hat. Ex wurde nur 42 Jahre alt, er starb an Aids.

Ihm und allen anderen Toten dieser Pandemie ist die neue Sonderausstellung im Deutschen Medizinhistorischen Museum Ingolstadt (DMMI) gewidmet. Bis 13. März 2022 läuft dort die Schau „In the Name of Love!“. Sie behandelt den gesellschaftlichen Umgang mit der Krankheit und ihren Opfern.

Ein Sterbebild aus Stoff

Im Zentrum liegt ein 3,80 mal 3,80 Meter großer Quilt ausgebreitet, zusammengenäht aus acht einzelnen Decken aus wiederum vielen verschiedenen Tüchern – unter anderem aus solchen, die den Namen Marco Ex bilden. Ein davor aufgestelltes Gedenkbuch informiert über die Toten, es enthält Notizen von Angehörigen und Freunden wie Jan Langenberg.

Zum Hintergrund dieses riesigen Sterbebildchens aus Stoff erklärt Ausstellungskurator Alois Unterkircher: „Zu Beginn der 1980er Jahre häuften sich Meldungen über eine rätselhafte Krankheit.“ Was erst als Randgruppen-Problem abgetan worden sei, habe sich rasch zu einer ernsthaften Gesundheitskrise entwickelt. „Aids und HIV stellten Medizin, Politik und Zivilgesellschaft vor ungeahnte Herausforderungen.“ Zig Menschen seien angesichts fehlender Therapien binnen kürzester Zeit gestorben.

In dieser Phase seien vielerorts „Namen-Projekte“ entstanden. „Man wollte zeigen, dass hinter der nüchternen Todesstatistik konkrete Personen und individuelle Schicksale standen.“ Dazu habe man Erinnerungstücher gestaltet und sie Initiativen übergeben, die je acht Tücher zu einem größeren Quilt verbunden hätten. Hunderte solcher Werke seien dann bei Gedenkzeremonien an öffentlichen Plätzen ausgelegt worden. Das Werk im DMMI ist der „Quilt Nr. 21“ aus dem niederländischen „Namen-Projekt“. Im Sommer wurde er dem Haus als Schenkung überlassen, daher nun die Ausstellung.

Um den Quilt herum betten Exponate und Medienstationen das Textil in den gesellschaftlichen Umgang mit Aids ein. Der war besonders in der Anfangszeit von Härte geprägt, wie Kunstwerke und Fotos, Protestbanner und Pressecover zeigen.

Zwangstest wurde erwogen

„Schutz vor der Seuche: Meldepflicht für Aids?“, titelte etwa „Der Spiegel“. Und Bayern schrieb in einem „Maßnahmenkatalog“ die Möglichkeit eines HIV-Zwangstests fest. Unter anderem Prostituierte konnten so jederzeit vorgeladen werden. Dagegen gerichtete Demonstrationen geißelten das Vorgehen scharf, indem sie es mit der Rosa-Winkel-Kennzeichnung Schwuler in NS-Konzentrationslagern verglichen.

Auch Kritik an der katholischen Kirche präsentiert die Schau. So zeigt sie ein verfremdetes Porträt des einstigen Erzbischofs von New York, John Joseph O’Connor. Seine Augen sind ersetzt worden durch schlangenförmig zusammengerollte Linien mit Hypnose-Wirkung, über seinem Kopf prangt der Schriftzug „Gefahr für die öffentliche Gesundheit“. Unterkircher erklärt: „Der Erzbischof verteufelte Kondome und propagierte Abstinenz und sittlichen Lebenswandel als effektivste Mittel gegen die Ausbreitung von Aids.“

Freilich gab es neben Konfrontation auch Solidarität. Davon zeugen beispielsweise Aids-Schleifchen diverser Macharten und Videos, in denen die Namen Verstorbener verlesen werden.Wovon derweil nichts zu entdecken ist: Corona. Die Ausstellung ist aber auch nur klein, schon ihr eigentliches Thema behandelt sie eher schlaglichtartig. Dafür wirkt sie so über den Besuch hinaus. Denn über Parallelen und Differenzen zwischen den Pandemien muss jeder selbst nachdenken.

Über Fragen wie diese etwa: Was werden Museen später wohl mal vom COVID-Gedenken zeigen? Und warum scheint gerade niemand an Erinnerungsstoffen zu stricken, bloß an Verschwörungstheorien? (KNA)

Nähere Informationen:

www.dmm-ingolstadt.de/ausstellungen/in-the-name-of-love.html

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