Forschung

Karliczeks Kampf für die Wissenschaft

Klimaschutz, Abgase, Gesundheit: Immer wieder werden wissenschaftliche Erkenntnisse angezweifelt – egal wie breit sie geteilt werden. Die Forschungsministerin will das nicht hinnehmen. Doch nicht alle finden den Vorstoß glaubwürdig.

Von Valentin Frimmer Veröffentlicht:
Forschungsministerin Anja Karliczek will das Vertrauen in die Wissenschaft stärken.

Forschungsministerin Anja Karliczek will das Vertrauen in die Wissenschaft stärken.

© Carsten Koall / dpa / picture alliance (Archivbild)

BERLIN. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) will gegen verbreitete Skepsis gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen vorgehen.

„Wenn der Klimawandel angezweifelt wird, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse etwa zur Luftverschmutzung oder andere Forschungsstände angezweifelt werden, dann ist das auch für die Politik ein ernstes Thema“, sagte Karliczek der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Wissenschaftler sollten Anreize bekommen, wenn sie Forschungsergebnisse in die Öffentlichkeit kommunizierten. Grüne und FDP warfen Karliczek wegen eigener Aussagen zu Kindern gleichgeschlechtlicher Partnerschaften Unglaubwürdigkeit vor.

Vertrauen in Wissenschaft stärken

Im Januar hatten rund hundert Lungenärzte mit Zweifeln am Nutzen von Grenzwerten für Abgase für Aufsehen gesorgt. Erst später hatten Umweltmediziner auf die vielen umfangreichen Studien zu schädlichen Folgen von Luftschadstoffen hingewiesen und waren Rechenfehler in der Ärztestellungnahme bekannt geworden.

Immer wieder wird auch der menschengemachte Klimawandel angezweifelt– etwa von AfD-Chef Alexander Gauland. Angesichts solcher Fälle sagte Karliczek: „Wir sollten faktenbasiert dagegenhalten und wissenschaftliche Erkenntnisprozesse und Methoden transparent machen.“

Man könne nicht hundertprozentig verhindern, „dass gesellschaftliche oder politische Debatten mit zweifelhaften Daten oder Behauptungen geführt werden“, sagte Karliczek. Wichtig sei es aber, das Vertrauen in die Wissenschaft zu stärken. „Wir müssen Wissenschaftler bestärken, sich im öffentlichen Diskurs hörbar einzubringen.“

Umstrittene Äußerungen

Karliczek kündigte konkrete Schritte an. „Derzeit prüfen wir mit verschiedenen Akteuren, wie wir den gesellschaftlichen Austausch zu Wissenschaftsthemen und das Vertrauen stärken können“, sagte sie.

„Wir möchten die Rahmenbedingungen für Kommunikation im Forschungsalltag verbessern, durch bessere Ausbildung und mehr Anreize und Anerkennung für kommunizierende Wissenschaftler.“ Grundsätzlich sei es wichtig, dass die Gesellschaft „über den Stand der Wissenschaft informiert“ bleibe.

Kritik kam aus der Opposition. „Karliczeks Worte sind nichts wert, solange sie eigene Versäumnisse und Fehltritte der letzten Monate nicht aufarbeitet und glaubhaft korrigiert – wie ihre vorurteilsbeladenen und unwissenschaftlichen Aussagen zum Kindeswohl in Regenbogenfamilien“, sagte der Grünen-Forschungsexperte Kai Gehring.

Der FDP-Bildungspolitiker Jens Brandenburg sagte: „Frau Karliczek sollte sich an die eigene Nase fassen und jahrzehntelange Forschung zum Kindeswohl in Regenbogenfamilien nicht länger leugnen.“ Er sagte: „Glaubwürdig wäre die Wissenschaftsministerin, wenn sie persönlich Besserung gelobt.“

"Wissenschaftliche Erkenntnisse werden zu oft vernachlässigt"

Karliczek hatte im Herbst in einem Interview zur „Ehe für alle“ gesagt, sie fände es sinnvoll, wissenschaftlich zu untersuchen, welche Auswirkungen es auf Kinder habe, in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aufzuwachsen.

Kinder würden diskriminiert, und Frauen und Männer hätten unterschiedlichen Einfluss auf Kinder. Zugleich stimmte Brandenburg zu: „Der Wunsch nach faktenbasierten Diskussionen ist nachvollziehbar. Viel zu häufig werden wissenschaftliche Erkenntnisse in politischen Entscheidungen vernachlässigt.“

Der Grünen-Forschungsexperte Gehring warf Anja Karliczek vor, sich selbst „für nicht zuständig“ zu erklären, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse geleugnet werden.

Auf seine Frage, warum sich das Bundesforschungsministerium nicht zur Debatte um den Nutzen von Abgasgrenzwerten äußere, hatte das Ressort von Karliczek geantwortet, für Fragen zu Feinstaubemissionen und Fahrverboten seien das Umwelt- und das Verkehrsministerium zuständig. (dpa)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

75 Jahre Ärztekammer Rheinland-Pfalz

Udo di Fabio: Ärztlicher Beruf muss wieder stärker ein freier Beruf sein

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Viele Ärzte kennen nicht alle Symptome

So gefährlich sind verschluckte Knopfzellen für Kinder

Lesetipps
Eine Gans geht.

© Carola Schubbel / stock.adobe.com

Systemische Fragetechniken

Warum es hilft, wenn Schmerzen zum Tier werden