Osteitis pubis: Albtraum der Fußballprofis
Kaum eine Verletzung fürchten Fußballer wie Ballack & Co mehr als die Schambeinentzündung. Denn die Überlastungsreaktion des Schambeinknochens erfordert eine mehrmonatige Therapie und damit viel Geduld. Bleibt die konservative Behandlung erfolglos, kommen Operationen in Betracht.
Veröffentlicht:Optimales Training sowie physiotherapeutische und medizinische Maßnahmen können die Gefahr der Osteitis pubis minimieren. Verletzungen wie Knochenbrüche, Bänder- oder Sehnenrisse haben den "Vorteil", dass sie sofort erkannt werden, sich operieren lassen und ihre Regenerationszeit klar eingegrenzt werden kann. Die Osteitis pubis entwickelt sich dagegen schleichend, wird oft erst spät erkannt und kann Profisportler mehrere Monate außer Gefecht setzen, denn die entzündete Knochenhaut am Schambein verursacht nicht nur starke Schmerzen, sondern benötigt auch eine langwierige Therapie.
Mit Mikroverletzungen am Schambein beginnt die Osteitis
Am Schambein hängen viele Bänder und Muskeln - einige ihrer Ansatzstellen sind gerade mal so dick wie eine Bleistiftmine. Die Kräfte, die gerade an so dünnen Ansatzstellen zerren, sind enorm bei Sportarten wie Fußball mit seinen abrupten Bewegungen, schnellen Richtungs- und Tempowechseln oder dem Treten gegen den Ball. Sind die Ansatzstellen diesen Belastungen nicht gewachsen, können Mikroverletzungen entstehen, die von den Spielern aber zunächst nicht wahrgenommen werden. Erst nach längerer Zeit entwickelt sich durch die ständige Reizung die Osteitis pubis.
Physiotherapien können die Heilung beschleunigen
Bei Osteitis pubis sollte in erster Linie konservativ behandelt werden. Medikamentös haben sich Antiphlogistika bewährt. Diese können durch eine orale Kortikosteroid-Therapie ergänzt werden. "Physikalische und krankengymnastische Maßnahmen beschleunigen den Heilungsverlauf und machen den Spieler schneller wieder fit," so der Sportmediziner Dr. Sascha Hopp im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".
Wichtig dabei sind Ultraschallbehandlung, Kryo- und Elektrotherapie sowie Krankengymnastik, bei der die Rumpf- und Beckenbodenmuskulatur gekräftigt und die Adduktorenmuskulatur gedehnt werden. Als weitere therapeutische Maßnahme wird die Infiltration der Symphyse mit einem Lokalanästhetikum und Kortikosteroid unter Bildwandlerkontrolle beschrieben. Damit werden je nach Stadium Erfolgsraten bis zu 80 Prozent erzielt.
Schmerzauslösende Bewegungen sollten während der Therapie unbedingt vermieden werden. Eine absolute Ruhigstellung, also Pausierung, sollte allerdings nur in der Akutphase erfolgen und auf ein Minimum begrenzt werden. Hopp empfiehlt, dass Betroffene spätestens nach einer Woche wieder Gleichgewicht und Kraft durch Krankengymnastik trainieren sollten. Ansonsten besteht die Gefahr der Muskelverkürzung und eines Trainingsrückstands, der nur schwer wieder aufzuholen ist.
Generell dauert eine Therapie in der Regel mehrere Monate und erfordert große Geduld vom Sportler, Trainer und Physiotherapeuten. Hopp warnt vor einem verfrühten Spieleinsatz. Diese Gefahr besteht, da unter der Therapie die Schmerzen schnell nachlassen und so eine Heilung vorgegaukelt wird.
Erst, wenn alle medikamentösen, physikalischen und physiotherapeutischen Ansätze ausgereizt sind, kommt eine Operation in Betracht. Bei der Kurettage wird das durch die Entzündung veränderte und empfindliche Gewebe im Bereich der Symphyse ausgeschabt. Diese Maßnahme führt bei Leistungssportlern zu guten und dauerhaften Resultaten. Wenn auch die Kurettage keinen befriedigenden Erfolg bringt, wird die Symphyse versteift. Dies geschieht mit einem Knochenspan aus dem Beckenkamm, der mittels Platte in der Symphyse fixiert wird. "Wenn diese Platte durchbaut ist, sind die Patienten im vorderen Beckenring stabil und vor allem schmerzfrei," erläutert Hopp. Allerdings stellt diese Op einen großen Eingriff dar, sodass sie wirklich nur als Ultima Ratio bei therapieresistenten Patienten in Erwägung gezogen werden sollte.
Die Prävention einer Osteitis pubis ist möglich
Durch präventive Maßnahmen können Sportler das Risiko einer Osteitis pubis reduzieren. Dazu gehören etwa adäquates Aufwärmen, Verbesserung der sportlichen Technik und medizinische Maßnahmen wie Dehnungsübungen der Adduktoren, Aufbau - und Stabilisierungstraining für die Bauch- und Rumpfmuskulatur. Diese Maßnahmen sollten konsequent angewendet werden, auch wenn sie vom Sportler oft als "unbequem" bewertet werden.
Fußball-Fans können allerdings darauf hoffen, dass die deutsche National-Elf hier einsichtig ist. Und das nicht nur deshalb, weil Mannschaftskapitän Michael Ballack nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" im Frühjahr 2006 selbst an einer Osteitis pubis gelitten hat - und deshalb vermutlich bei ihrer Prävention mit gutem Beispiel vorangehen wird. Ballacks im Viertelfinalspiel gegen Portugal einmal mehr unter Beweis gestellte Top-Form ist ein Indiz dafür, dass er seine Osteitis überwunden hat und vollständig genesen ist. Fußball-Fans hoffen, dass er im Halbfinalspiel am Mittwoch in Basel erneut eine Super-Leistung bringt.
STICHWORT
Osteitis pubis
Mit spezifischen Tests und spezieller Bildgebung wird die Osteitis pubis diagnostiziert, wie Dr. Sascha Hopp aus Homburg/Saar berichtet (Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin 59, 4, 2008, 100). Dabei müssen zunächst andere Erkrankungen ausgeschlossen werden, denn die Patienten leiden häufig unter Schmerzen, die in die Leiste, Hüfte und obere Abdominalregion ausstrahlen. Notwendig sind deshalb ausführliche klinische und radiologische Untersuchungen, Szintigrafie und MRT. Bei der Bildgebung spielt die Aufnahme des rechts- und linksseitigen Einbeinstands eine wichtige Rolle. "Bei einer sogenannten Flamingo-Aufnahme klafft die Symphyse normalerweise etwa zwei Millimeter auseinander," so Hopp. "Liegt eine Osteitis pubis vor, ist die Symphyse durch die Entzündung instabil und klafft stärker auseinander." Um die Diagnose weiter abzusichern, kann ein Lokalanästhetikum in die Symphyse infiltriert werden. Tritt Schmerzfreiheit ein, liegt ein weiteres Indiz für die Osteitis pubis vor. (stü)