Spanien
Pensionierter Arzt zettelt Rentnerprotest gegen Onlinebanking an
Er ist pensionierter Urologe und hat Parkinson: Carlos San Juan de Laorden hat mit seiner Petition die Banken-Branche in Spanien aufgeschreckt. Sein Widerstand gegen die Digitalisierung greift auf das Gesundheitswesen über.
Veröffentlicht:Madrid. „Ich bin fast 80 Jahre alt und es macht mich traurig, dass die Banken alte Menschen wie mich vergessen haben“. Mit diesen Worten startete Carlos San Juan de Laorden erst vor wenigen Wochen auf der Plattform change.org eine Unterschriften-Protestaktion gegen die zunehmende Digitalisierung der Banken.
Hochmoderne Bankautomaten, Überweisungen, die nur noch online gemacht werden können: „Gerade viele ältere Menschen wie ich sind damit überfordert“, meint der pensionierte Urologe aus Valencia. Er leidet unter Parkinson. Mit seinen zittrigen Händen gab er auf dem Touchscreen zu oft die falsche Geheimzahl ein. Schließlich zog der Bankautomat sie ein.
Bei den verkürzten Banköffnungszeiten war in der Bankfiliale niemand mehr. Beim Versuch, telefonisch seine Bank zu kontaktieren, wurde er von einer automatischen Dialoganlage aufgefordert, sein Anliegen über die Bank-App vorzutragen.
Carlos war empört. „Wir haben diese Ausgrenzung nicht verdient. Deshalb fordere ich eine humanere Behandlung in den Bankfilialen“, sagt der 78-jährige Spanier.
„Ich bin alt, aber kein Idiot“
Unter dem Slogan „Ich bin alt, aber kein Idiot“ startete der pensionierte Arzt schließlich seine Internet-Protestkampagne und wurde über Nacht für zigtausende Spanier zum gefeierten Helden, zu einer Art Sprachrohr für die „Verlierer der Digitalisierung“ – den älteren Menschen.
Nach nur drei Wochen hatte Carlos bereits 600.000 Unterschriften für seine Petition zusammen, die er am Dienstag im Madrider Wirtschaftsministerium übergab. Sein Aufschrei fand ein derart großes Echo in den Medien, dass Spaniens Wirtschaftsministerin Nadia Calviño ihn sogar höchstpersönlich empfing.
Vor laufenden Kameras versicherte sie ihm, bis zum Ende des Monats einen Plan mit wirksamen Maßnahmen vorzulegen, der sofort umgesetzt werde und auf die Situation reagiert, die nicht nur eine Angelegenheit der älteren Menschen sei, sondern der gesamten Gesellschaft. Sie meint es ernst. In einem Gespräch mit den Vertretern der spanischen Bankenverbände hat sie den Geldinstituten einen Monat Zeit gegeben, um Vorschläge für eine bessere „finanzielle Inklusion“ der Älteren vorzulegen.
Als Arzt habe er gelernt, Mitgefühl mit den Problemen anderer Menschen zu haben. Gerade in der Urologie hatte er es mit älteren Menschen zu tun und kennt ihre Probleme. Viele seien auch geistig nicht mehr in der Lage, den Umgang mit immer moderneren und komplizierten Technologien zu lernen. Dabei sei es nicht nur ein technologisches Wissensproblem. Viele Rentner in Spanien haben auch nicht das nötige Geld für Internet und Smartphones, die fürs Online-Banking notwendig sind“, so Carlos.
23.000 Zweigstellen abgebaut
Das ist vor allem auf dem Land ein Problem, wo die spanischen Banken, um ihre Gewinne zu steigern, in den vergangenen Jahren bis zu 23.000 Zweigstellen abgebaut haben. „Mit immer weniger Bankfilialen und Automaten gibt es auf dem Land kaum noch Alternativen zum Online-Banking“. Gleichzeitig wächst die Zahl der Rentner in Spanien, die jeden Monat ihre Pension auf ihr Konto überwiesen bekommen. Ein Fünftel aller Spanier ist älter als 65 Jahre.
Das Problem der zunehmenden Digitalisierung geht weit über den Bankensektor hinaus, wie die vielen Kommentare auf Carlos Petitions-Plattform zeigen. Arturo Salvande Fraga, ein Hausarzt aus dem nordspanischen Galicien, beklagt, dass gerade ältere Menschen auch im zunehmend digitalisierten Gesundheitssektor vor immer größeren Problemen stehen, um einen Arzttermin zu bekommen.
Die Corona-Pandemie habe dazu geführt, dass Termine häufig nur noch Online zu beantragen sind oder auf telefonische Sprechstunde zurückgegriffen wird, meint auch Carlos San Juan de Laorden. „Damit sind gerade die älteren Generationen, die mehr ärztliche Betreuung brauchen, vollkommen überfordert“.
Banken-Branche reagiert
Doch das wird sein nächster Kampf. Erst einmal möchte er das Problem mit dem Online-Banking klären. „Und ich werde nicht aufhören, bis ich Erfolge sehe“, sagt er. Die gibt es schon. Die Banco Santander kündigte als erste Bank in Reaktion auf Carlos Initiative bereits an, die Öffnungszeiten ihrer Filiale für die Betreuung von Bankkunden deutlich zu erweitern.
José María Roldán, Präsident der spanischen Bankvereinigung AEB, dankte Carlos dafür, die Branche auf die Probleme der älteren Menschen aufmerksam gemacht zu haben und versprach ebenfalls Abhilfe. Dennoch sei die Digitalisierung des Sektors nicht rückgängig zu machen. So forderte er, wie im Nachbarland Portugal, staatliche Strategien, die ältere Generation für das Internet fit zu machen. Doch ob das funktionieren kann, da hat Carlos San Juan de Laorden so seine Zweifel.