Umfrage bei Behörden in Sachsen

Schulkinder ohne Masernimpfung – Hunderte Bußgelder gegen Eltern

Kinder, die in Kindergarten oder Schule gehen, müssen seit 2020 gegen Masern geimpft sein. Doch nicht alle Eltern lassen ihre Kinder impfen, wie jüngst ein Ausbruch gezeigt hat. Ihnen drohen Bußgelder.

Veröffentlicht:
Ein Kinderarzt impft ein einjähriges Kind in den Oberschenkel gegen Masern.

Ein Kinderarzt impft ein einjähriges Kind in den Oberschenkel gegen Masern.

© Julian Stratenschulte/dpa

Dresden/Görlitz/Plauen. Wegen fehlender Masernimpfung bei Schulkindern haben Sachsens Behörden in den vergangenen Jahren Hunderte Bußgelder gegen Eltern verhängt.

Der Landkreis Mittelsachsen berichtet auf dpa-Anfrage von 185 Bußgeldbescheiden in den vergangenen zwei Schuljahren, der Kreis Görlitz von 314 verhängten Bußgeldern 2023, die Stadt Leipzig im selben Jahr von 184 Ordnungswidrigkeitsverfahren, die hierzu eingeleitet wurden.

Seit März 2020 müssen Kinder, die eine Einrichtung wie Kindergarten, Hort oder Schule besuchen, gegen das Virus geimpft sein. Im Vogtland war es jüngst zu einem Ausbruch gekommen, bei dem zwölf Kinder im Alter von einigen Monaten bis 13 Jahren erkrankt sind. Laut Gesundheitsamt waren sie nicht ausreichend geimpft.

Auch ungeimpfte Schulkinder müssen aufgenommen werden

Während in Kindergärten und Horten ein Betretungsverbot ausgesprochen werden kann, wenn Kinder nicht geimpft sind, ist bei Schulen die Lage komplizierter. „Schulpflicht bricht Impfpflicht“, erklärte das Kultusministerium auf Anfrage. Daher müssten auch ungeimpfte Kinder von Schulen aufgenommen werden.

Doch melden die Schulen dies den Angaben zufolge an die Gesundheitsämter, die dann Bußgelder gegen die Eltern verhängen können. Die können bis zu 2.500 Euro betragen, fallen aber meist geringer aus.

Das Landratsamt Bautzen etwa sprach von Beträgen zwischen 50 und 200 Euro bei den mehr als 300 im vergangenen Jahr verhängten Bußgeldern, das Landratsamt Pirna von 250 Euro (79 Bußgelder 2023). „In der Kita gibt es keine Besuchspflicht“, so das Ministerium. „Daher ist die Aufnahme der Kinder ohne Masernimpfung zu verweigern.“

Kinder waren geimpft, doch Nachweis fehlte

In solchen Fällen haben die Ämter im vergangenen Jahr zahlreiche Betretungsverbote ausgesprochen. Im Landkreis Bautzen waren es 13, in Dresden seit der Umsetzung des Masernschutzgesetzes 39, von denen 26 wieder aufgehoben wurden. Die Mehrzahl dieser Kinder sei zweifach geimpft gewesen, doch hätten es die Eltern trotz mehrfacher Aufforderung versäumt, den Nachweis vorzulegen, erklärte die Stadtverwaltung.

„Für 13 Kinder besteht aktuell das Betretungsverbot fort.“ In Chemnitz wurden voriges Jahr 50 Kita-Kinder ohne Nachweis einer Immunität gegen Masern dem Gesundheitsamt gemeldet. Dem Gesundheitsamt Leipzig liegen nach Auskunft der Stadt dagegen keine Angaben hierzu vor.

Die Ständige Impfkommission empfiehlt eine zweifache Impfung in Kombination von Masern, Mumps und Röteln für alle Kinder. Babys und Kleinkinder sollen die erste Impfung im Alter von 11 bis 14 Monaten erhalten, die zweite mit 15 bis 23 Monaten. Auch Erwachsenen wird eine einmalige Impfung empfohlen, wenn sie nach 1970 geboren sind und ihr Impfstatus unklar ist oder sie in der Kindheit keine oder nur eine Impfung erhalten haben.

Reaktionen reichen von Resignation bis hin zu Aggression

Mit Blick auf die Masernimpfpflicht bei Kindern in Kindergarten, Schule und Hort bietet der Landkreis Zwickau Beratungsgespräche an. Doch nur vier Prozent der Nachweispflichtigen nutzten das Angebot.

Häufig gehe es in den Gesprächen etwa um die Sicherheit der Impfstoffe, die mögliche Höhe von Bußgeldern, die Sinnhaftigkeit der Nachweispflicht oder die Vereinbarkeit der Impfung mit dem eigenen Glauben, informierte Landkreissprecher Sebastian Brückner.

Die Reaktionen reichten von Resignation bis hin zu Aggression. „In der Regel, so unser subjektiver Eindruck, kann jedoch nur wenig Verständnis für die Nachweispflicht aufgebracht werden.“ Im Landkreis Zwickau wurden voriges Jahr 254 Verfahren eingeleitet, weil entsprechende Nachweise nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt wurden. Das wird dann als Ordnungswidrigkeit verfolgt.

Impfrate hat sich „erfreulich positiv entwickelt“

Im Vogtlandkreis selbst, wo jüngst ein größerer Masernausbruch gemeldet worden war, werden zwar Kinder ohne Impfnachweis nicht in Kindergärten aufgenommen, wie das Landratsamt in Plauen informierte. Bei Schulkindern habe das Gesundheitsamt – anders als andere Landkreise – bisher aber keine Bußgelder verhängt. Eine genaue Begründung für diese Praxis nannte das Landratsamt auf Nachfrage bislang nicht.

Auch wenn es nach wie vor Eltern gibt, die sich gegen die Masernimpfung ihrer Kinder sperren, hat sich die Impfrate nach Einschätzung des Gesundheitsministeriums „erfreulich positiv entwickelt“. Dabei bezieht es sich auf Daten aus den Schuleingangsuntersuchungen.

Während es bei anderen Impfungen wie Polio, Tetanus und Keuchhusten Rückgänge gebe, sei die Rate bei Masern seit 2019 gestiegen. Demnach lag sie für die 1. Impfung zuletzt bei 99,2 Prozent, für die 2. Impfung bei 95,6 Prozent. Einen ähnlichen Trend zeigten Auswertungen bei Vierjährigen in Kindertagesstätten sowie Sechstklässlern in Schulen.

Die insgesamt niedrigen Fallzahlen sowie die Umstände bei dem jüngsten Ausbruch im Vogtland, der nur ungeimpfte Kinder zweier Familien betraf, belegten die Wirksamkeit des Masernschutzgesetzes, Infektketten zu unterbinden, resümierte das Gesundheitsministerium. (dpa)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Glosse

Die Duftmarke: Dauer-Daddeln

Arbeitsunfähigkeit

Ministerium plant keine Teilzeit-Krankschreibungen

Das könnte Sie auch interessieren
Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Für Menschen ab 60 Jahren sind die Impfungen gegen Influenza, Corona, Pneumokokken und Herpes zoster (beide nicht im Bild) Standard-Impfungen. Für Menschen ab 75 Jahren kommt die RSV-Impfung hinzu.

© angellodeco / stock.adobe.com

Respiratorisches Synzytial Virus

STIKO: Alle Menschen ab 75 gegen RSV impfen!

Kommentare
Dr. Antigone Fritz und Hubertus Müller sitzen trocken am PC. Dort zu sehen: ein Bild vom Hochwasser in Erftstadt vor drei Jahren.

© MLP

Gut abgesichert bei Naturkatastrophen

Hochwasser in der Praxis? Ein Fall für die Versicherung!

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MLP
Tab. 2: Schlaf bei Kindern nichtpharmakologisch optimieren

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach Angaben von Prof. Dr. Christian F. Poets und [6]

Einschlafstörungen und Melatonin

Was braucht es für einen gesunden Schlaf bei Kindern und Jugendlichen?

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: P&G Health Germany GmbH, Schwalbach am Taunus
Abb. 1: Zeitaufwand pro Verabreichung von Natalizumab s.c. bzw. i.v.

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9]

Familienplanung und Impfen bei Multipler Sklerose

Sondersituationen in der MS-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Biogen GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Weg von der Zigarette

Rauchstopp nach Krebsdiagnose: Je früher, desto besser

„ÄrzteTag“-Podcast

Kommt die neue GOÄ noch, Dr. Klinger?

Wochenkolumne aus Berlin

Die Glaskuppel: Das große Schweigen im politischen Berlin

Lesetipps
Mann bei der Wahl

© Christian Schwier / stock.adobe.com

Ampel vor dem Aus?

Koalitionskrise wirft dunkle Schatten auf Lauterbachs Reformpläne

Briefwahlunterlagen für die Sozialwahl

© Hirnschal/osnapix/picture alliance

Leitartikel zur Zukunft der Sozialen Selbstverwaltung

Sozialwahlen: Rette, wer kann!