Sehbehinderte Schülerin ist der Star eines Kinofilms

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Von Gesa Coordes

Starallüren kann man Ricarda Ramünke nicht nachsagen. "Können wir nicht Du sagen?", fragt die 14jährige gleich am Telefon. Daß sie die Heldin eines preisgekrönten Kinderfilms ist, sieht man ihr auch beim Besuch in ihrer Wohngemeinschaft in Marburg nicht an. Mit Turnschuhen, Jeans und rosa T-Shirt wirkt sie wie ein ganz normaler Teenager. Das heißt, ganz normal nun auch wieder nicht: Ricarda ist nämlich fast blind. Mit ihrem Sehrest von noch nicht einmal zwei Prozent kann sie nur die Umrisse ihres Gegenübers sehen.

Aber blind ist auch die Heldin des Jugendfilms von Bernd Sahling "Die Blindgänger", der jetzt in den Kinos läuft. Ricarda Ramünke spielt darin die gleichaltrige Marie. Sie lebt in einem Internat mit erweiterter Musikausbildung, das in einem ehemaligen Kloster untergebracht ist.

Marie und ihre ebenfalls blinde Freundin Inga haben die üblichen Probleme ihres Alters: Jungen, Aussehen und Lehrer. Als sie erfahren, das eine Schülerband Verstärkung braucht, sehen sie ihre große Chance. Doch die "Guckis", wie sie die Sehenden nennen, wollen keine blinden Bandmitglieder. Das ist uncool. Aber dann lernt Marie den jungen Rußlanddeutschen Herbert kennen, der das Leben der Freundinnen auf den Kopf stellt.

Inzwischen ist der Film bereits mit dem Deutschen Filmpreis "Lola" ausgezeichnet worden. Auch während der Berlinale war er ein großer Erfolg und belegte den zweiten Platz in der Kategorie Kinder- und Jugendfilm. Die Jury lobt die Schauspieler, "deren Handeln bis ins tiefste Innere wahrhaftig" sei. Daß blinde Akteure in einem Kinofilm mitspielen, ist auch nach Einschätzung des Leiters der Marburger Blindenstudienanstalt, Jürgen Hertlein, eine Premiere - bislang seien diese Rollen immer mit Sehenden besetzt worden.

Wie Marie lebt auch die aus dem Landkreis Gifhorn stammende Ricarda Ramünke in einem Internat - der Marburger Blindenstudienanstalt. Sie macht ebenfalls gern Musik, spielt Klavier und ist recht sportlich. So schüchtern und zurückhaltend wie Marie sei sie aber nicht, sagt Ricarda. Die vielen Interviews, die sie gegeben hat, ist sie inzwischen ziemlich leid: "Wie die ganz großen Sternchen damit umgehen, die das dauernd machen, verstehe ich nicht", sagt sie.

Ricarda ist eher zufällig zur Schauspielerei gekommen. Schon vor zwei Jahren wandte sich Regisseur Bernd Sahling auf der Suche nach blinden Schülern als Darsteller für einen Spielfilm an die Marburger Blindenstudienanstalt. Ricarda Ramünke, die bis dahin noch nicht einmal in der Theatergruppe der Schule mitgespielt hatte, gefiel dem Autor. Nach zwei Castings in Frankfurt und Erfurt hatte sie die Rolle.

Für 36 Tage stieg sie aus dem Schulalltag in Marburg aus, um an der Seite von Dominique Horwitz als Internatsbetreuer in Thüringen zu drehen. "Es war schön, aber auch anstrengend", sagt das Mädchen, das während der Dreharbeiten von ihrer Mutter begleitet wurde. Daß sie und ihre Filmfreundin wegen ihrer Sehbehinderung "nicht wie rohe Eier" behandelt wurden, hat ihr gut gefallen. Erstaunt war sie, daß beim Drehen durchaus nicht mit der ersten Szene angefangen wurde, sondern mittendrin. "Daß dann daraus ein Film wird, ist schon toll!"

An ihrer Schule habe sich durch die Rolle gar nichts geändert, meint Ricarda Ramünke. Die Mitschüler seien ganz normal mit ihr umgegangen. Jetzt will die 14jährige, die gern Judo macht und Einrad fährt, erst einmal das Abitur schaffen. Einen Film will sie höchstens noch einmal in den Sommerferien drehen.

Schauspielerin möchte Ricarda nämlich nur werden, wenn ihre anderen Berufswünsche scheitern: Sie träumt davon, Polizistin, Staatsanwältin oder Journalistin zu werden.

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