Pauschalangebote besonders beliebt
Immer mehr Briten werden zu Medizintouristen
Lange Wartelisten in britischen Kliniken sorgen dafür, dass immer mehr Bewohner der Insel für privatmedizinische Behandlungen ins Ausland reisen. Doch der Trend hat seine Schattenseiten.
Veröffentlicht:
Operationspfusch im Ausland? Der britische Gesundheitsdienst NHS warnt die UK-Bürger davor, sich in anderen Ländern unter das Messer zu legen.
© Gecko Studio / stock.adobe.com
London. Immer mehr Patientinnen und Patienten in Großbritannien reisen ins Ausland, um sich dort privatmedizinisch versorgen zu lassen. Niedrige Preise, lange Wartelisten in britischen Kliniken, schönes Wetter im meist südeuropäischen Ausland – das scheinen die wesentlichen Gründe zu sein, warum britische Patientinnen und Patienten dem Medizin-Tourismus frönen. Doch der Trend hat ernste Schattenseiten.
Wie aus aktuellen Zahlen des britischen Office of National Statistics (ONS) hervor geht, reisten allein im Jahr 2023 rund 431.000 Patienten aus Großbritannien ins Ausland, um sich dort fachärztlich behandeln zu lassen. Das waren fünfmal so viele wie 2013. Und der Trend ist weiter deutlich steigend.
Hüftgelenks-Op und Haartransplantationen liegen vorne
Beliebte Eingriffe bei den reisefreudigen Briten sind unter anderem Hüftgelenksoperationen, Haartransplantationen, kosmetische Eingriffe und zahnärztliche Versorgungsangebote. Ausländische Privatkliniken vermarkten ihr Angebot vermehrt in Großbritannien, weil der staatliche britische Gesundheitsdienst (National Health Service, NHS) immer schlechter wird. Das bringt neue Chancen für ausländische Kliniken.
Beliebt bei den britischen Medizintouristen sind besonders Pauschalangebote. Mit einer einzigen Buchung sind Flugreise, Unterkunft, Operation und – zunehmend häufig – Sightseeing-Programm abgedeckt. Allein in der Türkei werben rund 80 Privatkliniken gezielt um die Gunst der britischen Patientinnen und Patienten. Wichtigstes Marketintool: die sozialen Medien. Daß der Medizintourismus boomt, zeigt unter anderem die Tatsache, daß es allein in Istanbul rund 3000 private Anbieter von Haartransplantionen gibt, berichteten kürzlich britische Medien.
Trend mit Schattenseiten
Doch der Trend, sich anstatt im regnerischen Liverpool lieber in sonnigen Gefilden privatmedizinisch versorgen zu lassen, hat ernsthafte Schattenseiten. Laut der Lobby-Organisation British Association of Aesthetic Plastic Surgeons (BAAPS) benötigten seit 2022 insgesamt 324 britische Patienten weitere korrigierend chirurgische Eingriffe, nachdem sie von einer privatenmedizinischen Operation im Ausland in die Heimat zurückgekehrt waren. Auch hier ist die Tendenz deutlich steigend. Und mindestens 28 britische Patientinnen und Patienten sind seit 2019 gestorben, nachdem sie sich zum Beispiel in der Türkei hatten operieren lassen.
Britische Ärztinnen und Ärzte sowie Gesundheitspolitiker überlegen, wie mit dem Phänomen Medizintourismus am besten umzugehen ist. „Es kann doch nicht sein, daß der NHS und damit der britische Steuerzahler die Kosten für Operationspfusch im Ausland bezahlen muß“, so Professor Vivien Lees, stellvertretende Präsidentin des angesehenen Facharztverbandes Royal College of Surgeons of England. (ast)