Kind verschwindet
Todesnachricht hilft
Wenn ein Kind verschwindet, wünschen sich Eltern nichts sehnlicher als zu erfahren, was passiert ist. Auch wenn am Ende die Todesnachricht steht.
Veröffentlicht:KRICKENBACH. Die Beerdigung ihres zuvor lange vermissten Kindes kann für Eltern sehr wichtig bei der Bewältigung dieses Verlustes sein.
In den meisten Menschen lebe sonst zumindest teilweise die Hoffnung weiter, dass ein Vermisster doch noch leben könne, sagte die Traumapsychologin Sybille Jatzko aus Krickenbach in Rheinland-Pfalz.
Das gelte vor allem dann, "wenn gar nichts gefunden wurde", sagte Jatzko zum Fall der fast acht Jahre vermissten und erst in der vergangenen Woche entdeckten Leiche der Trierer Studentin Tanja Gräff.
Es gebe dann "ganz viele Fantasien": "Erst durch die Beerdigung und erst durch das Auffinden dieses Menschen hat man das Gefühl, aus diesen Fantasien herauszukommen und einen Abschluss innerlich vollziehen zu können." Deswegen trete bei Hinterbliebenen von nach langer Zeit gefundenen Vermissten ein, "was eigentlich immer etwas eigenartig klingt: so etwas wie eine Erleichterung".
"Ganz viele Fantasien"
Zwar werde mit dem Finden eines langjährig Vermissten alles noch einmal "aufgewühlt", doch könnten "die ganzen Fantasien, die vorher eine große Rolle gespielt haben", damit beendet werden.
Wichtig sei auch, einen Tod so weit wie möglich aufzuklären: "Das gehört zur Geschichte und zur Verarbeitung dazu. Es sind ja ganz viele Fantasien in den Angehörigen. Beispielsweise: Hat das verstorbene Kind sehr leiden müssen?"
Wenn es einen Schuldigen gebe, dann wollten die Hinterbliebenen, dass dieser gefunden und zur Rechenschaft gezogen werde: "Dass dieser Verantwortliche jetzt auch lebenslänglich darunter leiden kann, das ist für Angehörige sehr wichtig.
Denn sonst können sie nirgendwo ihre Wut hinwenden." Dass ein Täter davonkomme, "das ist einfach für die Seele nicht machbar, das zu akzeptieren".
Jatzko ist seit der Flugkatastrophe von Ramstein 1988 in der Katastrophennachsorge und der Notfallseelsorge nach vielen Unglücken tätig. Sie arbeitet auch in der Ausbildung von Polizei, Feuerwehren und Hilfsorganisationen.
Acht Jahre verschwunden
Die sterblichen Überreste von Tanja Gräff waren am vergangenen Montag bei Rodungsarbeiten unterhalb einer 50 Meter hohen Felswand in Trier-Pallien auf einem Privatgelände gefunden worden.
Noch ist völlig unklar, was damals passiert ist. Die Studentin war im Juni 2007 das letzte Mal lebend gesehen worden. Acht Jahre war die Studentin Tanja Gräff aus Trier verschwunden. Auch nach dem Fund ihrer Leiche ist noch immer unklar, wie sie starb.
Nach bisherigen Erkenntnissen der Ermittler kam Gräff nicht infolge einer Kopfverletzung zu Tode. Das habe eine erste Untersuchung des Schädels ergeben, sagte der Leiter des Instituts für Rechtsmedizin an der Uni Mainz, Reinhard Urban.
Leichenteile der Vermissten waren zufällig bei Rodungsarbeiten unterhalb einer Felswand in Trier entdeckt worden. Dabei lagen auch Kleidung, Schmuck, Handy und Studentenausweis der Toten. Der Fall hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht.
Schädel erlaubt Rückschlüsse
Der Schädel weise "vom äußeren Aspekt her keine Verletzungen oder Werkzeugspuren auf, die auf eine Gewalteinwirkung gegen den Kopf unmittelbar Rückschlüsse zulassen."
Bislang haben die Rechtsmediziner lediglich den Schädel untersucht. Das erste Ergebnis sage noch nichts darüber aus, wie die Studentin ums Leben gekommen sei, sagte Urban. Zunächst müsse er die anderen Knochen untersuchen.
Erst dann könne er Genaueres zu möglicher Gewalteinwirkung sagen: "Wenn wir Verletzungen finden, werden wir versuchen, zu differenzieren, ob es eben zwingend ein Tötungsdelikt ist oder ob das auch ein Unfall gewesen sein könnte."
Eine neue Sonderkommission arbeitet daran, alle bisher bekannten relevanten Spuren in Bezug auf den Fundort neu zu bewerten. Die Ermittler gehen davon aus, dass die damals 21-Jährige von dem Felsen in die Tiefe stürzte.
Die Hintergründe sind noch unklar. Der Fundort ist rund einen Kilometer von der Hochschule Trier entfernt. Die Trierer Polizei hatte mögliche Versäumnisse bei der Suche bestritten. Die Gegend um den Fundort der Leiche sei mehrfach abgesucht worden, hatte Polizeidirektor Franz-Dieter Ankner gesagt. (dpa)