Umbauplan der Robert Bosch Stiftung
1000 Zentren sollen die hausärztliche Versorgung retten
Die Hausarztversorgung ist in der jetzigen Form nicht zukunftsträchtig, findet die Robert Bosch Stiftung – und rät zum Umbau der Strukturen. Einzelpraxen seien ein Auslaufmodell, es brauche Zentren.
Veröffentlicht:Berlin/Stuttgart. Die Robert Bosch Stiftung schlägt einen weitreichenden Umbau der hausärztlichen Versorgung in Deutschland vor. Hintergrund dafür seien absehbar „erodierende Strukturen“ der Versorgung durch Hausärzte.
Im Jahr 2035 könnten bundesweit bis zu 11.000 Hausärzte fehlen, weil es nicht ausreichend gelingt, ausscheidende Praxischefs durch junge Ärzte zu ersetzen, heißt es in einer Studie des IGES-Instituts im Auftrag der Stiftung.
Mehrbedarf durch Alterung
Studie: In 14 Jahren fehlen 11.000 Hausärzte in der Republik
Jüngst hat die KV Niedersachsen errechnen lassen, dass in 14 Jahren in ihrem Sprengel nur noch in drei Planungsbezirken ein regulärer hausärztlicher Versorgungsgrad von 100 bis 110 Prozent erreicht werden könnte. Nach Ansicht der Stiftung ist die bisherige Struktur der hausärztlichen Versorgung nicht zukunftsfest: 54 Prozent der Allgemeinärzte praktizieren noch in Einzelpraxen, assistiert in den meisten Fällen nur von MFA.
5400 Sitze in Zentren ansiedeln
Ihr Alternativmodell, Patientenorientierte Zentren zur Primär- und Langzeitversorgung (PORT), forciert die Stiftung seit 2017 und unterstützt entsprechende Projekte an 13 Standorten in Deutschland. Dort soll eine stark interprofessionell geprägte Primärversorgung etabliert werden.
Nach ihren Berechnungen wäre es geboten, rund zehn Prozent der Hausarztsitze in PORT-Zentren einzubringen. Das entspräche rund 5400 Sitzen, die auf bundesweit etwa 1000 Zentren zu verteilen wären. In jedem PORT-Standort sollten im Schnitt fünf Hausärzte, jeweils zwei akademisch qualifizierte Pflegekräfte – zum Beispiel sogenannte Community Health Nurses – sowie weitere MFA arbeiten.
Das Versorgungsgebiet eines solchen Zentrums sollte sich im ländlichen Raum über Gemeindegrenzen hinaus erstrecken, so dass ihre Planung im Verbund mehrerer Kreise und Städte erfolgen sollte.
Gelinge es, bis zum Jahr 2035 jeden fünften jungen Hausarzt, der neu in die ambulante Versorgung einsteigt, für die Mitarbeit in einem PORT-Zentrum zu gewinnen, dann würde das ausreichen, „um einen flächendeckenden Zugang zu den Primärversorgungszentren zu etablieren“, so die Stiftung.
Neue Versorgungsform im SGB V
Die bisherigen Ansätze der Politik zur Bekämpfung von Versorgungsengpässen – wie finanzielle Anreize für eine Niederlassung, flexiblere Beschäftigungsoptionen für Vertragsärzte oder die Instrumente wie die Landarztquote – seien im Einzelfall sinnvoll, aber „wenig zukunftsträchtig“.
Den stärksten Rückenwind für ihre Umbaupläne erhofft sich die Stiftung von Medizinstudierenden. Dazu verweist sie auf das „Berufsmonitoring Medizinstudierende 2018“, einer Befragung von 13.000 Medizinstudierenden: Darin erklärten 60 Prozent der befragten Studierenden, die Arbeit im Team werde in ihrer späteren Berufstätigkeit „sehr wichtig“ oder „wichtig“ sein.
„Diese Gruppe wird letztlich den Ausschlag geben, wenn es darum geht, ob es in Deutschland gelingt, tradierte Rollenmodelle aufzubrechen (...) und die Vorstellungen einer modernen Primärversorgung (...) zu verankern“, zeigt sich die Stiftung überzeugt.
PORT-Konzept
- Das Leistungsspektrum der PORT-Zentren soll neben der bisherigen hausärztlichen Versorgung weitere Komponenten umfassen.
- Die Zentren sollen vor ihrer Zulassung ein Konzept präsentieren, das Auskunft über die spezifischen Versorgungsbedarfe im Einzugsgebiet gibt.
- Zu ihren Aufgaben soll das Care- und Case-Management gehören, abgestimmt auch mit externen Kooperationspartnern
- Als Teil der Primärversorgung wird zudem die Zusammenarbeit mit öffentlichen Akteuren der Gesundheitspflege genannt, etwa in der Primär- und Sekundärprävention.
Ein Motor, um dieses Ziel zu erreichen, soll die Verankerung der Primärversorgung im SGB V sein, und zwar als „eigenständige kooperative und multiprofessionelle Versorgungsform“. Denn Versorgungsinhalte und Prozesse, so wie sie in einem PORT-Zentrum vorgesehen sind, seien mit den bestehenden Vergütungsstrukturen in der ambulanten Versorgung nicht darstellbar – dies ermögliche erst die Förderung durch die Stiftung.
Die Regularien für die Teilnahme an dieser neuen Versorgungsform und für die Kooperationsverträge der Beteiligten in einem Zentrum sollten vom Gemeinsamen Bundesausschuss in einer Richtlinie festgelegt werden, schlägt die Stiftung vor. Zwingende Voraussetzung für die Zulassung eines Zentrums sollte die Beschäftigung mindestens einer akademisch qualifizierten Pflegekraft sein, heißt es.
Die neue Versorgungsform eigne sich nicht als „Wettbewerbsfeld“, so dass eine Umsetzung etwa in Form von Integrationsverträgen nach Paragraf 140a SGB V nicht in Frage komme, glaubt die Stiftung.