Großer Wurf oder kleiner Schritt
AMNOG-Reform wird wohl ein Reförmchen werden
In Kürze wird der Entwurf für eine AMNOG-Novelle erwartet. Experten zeigen sich skeptisch: Der Gesetzgeber wird zentrale Probleme der Nutzenbewertung wohl nicht angehen.
Veröffentlicht:STUTTGART. Die Novelle des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG), in dem Einzelheiten der frühen Nutzenbewertung neuer Medikamente überarbeitet werden, wird vermutlich kein großer Wurf. Davon geht der Gesundheitsökonom Professor Jürgen Wasem aus.
"Ich erwarte eher ein AMNOG 1.1 denn ein AMNOG 2.0", sagte Wasem vergangene Woche bei einer Veranstaltung des Pharmapolitischen Arbeitskreises Süd in Stuttgart. Ein Referentenentwurf aus dem BMG wird vermutlich noch im Juli erwartet.
Die Grundlagen des AMNOG hätten sich insgesamt als tragfähig erwiesen, so der Gesundheitsökonom. Dazu gehöre beispielsweise, dass der Gesetzgeber auf eine vierte Hürde verzichtet habe. Das entspreche den Erwartungen der GKV-Versicherten an ein leistungsfähiges Gesundheitswesen. Allerdings weise das AMNOG-Verfahren strukturelle, indikationsübergreifende Probleme auf, die in den einzelnen Indikationen unterschiedlich stark wirksam würden.
Wasem verwies als Beispiel auf die "Strategieanfälligkeit" bei der Bestimmung der zweckmäßigen Vergleichstherapie (ZvT) oder auf den "methodischen Rigorismus" des IQWiG, der "nur teilweise vom Gemeinsamen Bundesausschuss kompensiert wird".
Nicht nur Preise werden reguliert: Wenn Produkte vom Markt genommen werden
So repräsentiere im AMNOG-Verfahren die ZvT etwa in der Diabetologie nicht den "State of the Art", zeigte sich der Gesundheitsökonom überzeugt. Der Gesetzgeber gebe sich der Illusion hin, das AMNOG sei lediglich ein Preisregulierungsinstrument, mit dem nicht über den Leistungskatalog in der GKV bestimmt werde, sagte Wasem mit Blick auf die inzwischen 25 Marktrücknahmen von Herstellern.
Bedeute die fehlende Zuerkennung eines Zusatznutzens tatsächlich, dass ein neues Medikament in der Versorgung nicht gebraucht werde, fragte Wasem. "Das hätte ich früher mit festerer Stimme behauptet." Der Gesundheitsökonom zeigte sich skeptisch, dass zentrale Probleme wie etwa die Mischpreisbildung mit der Novelle adressiert werden, "weil die Stakeholder sich gegenseitig blockieren".
Aus Sicht von Martin Lack vom Geschäftsbereich Arzneimittel in der KBV werden Vertragsärzte im AMNOG-Verfahren zur "vierten Hürde" gemacht, weil sie mit der Regresskeule bedroht würden. Zur Begründung wurde auf die drastisch gestiegene Zahl der Einzelprüfanträge verwiesen - allein in der KV Hessen sollen es 1000 pro Quartal sein. Lack drängte auf mehr Verordnungssicherheit für Ärzte und beklagte die fehlende Beteiligung der KBV im Pharmadialog.
Gegeneinander von Ärzten, Kassen und Pharmaindustrie
Der Chef der DAK Gesundheit, Professor Herbert Rebscher, rügte, dass im AMNOG überwiegend im Rahmen hochformalisierter Verfahren entschieden werde. "Wir führen viel zu häufig eine Diskussion ohne empirische Grundlage", sagte Rebscher.
Er plädierte dafür, strittige Fragen weniger mit dem "Fallbeil", sondern mit dem Blick auf die Versorgungsrelevanz und unter Rückgriff auf Ergebnisse der Versorgungsforschung zu regeln. "Wir müssen Flexibilität zur Grundlage gemeinsamen Handelns machen", forderte der Kassenchef.
Es gebe im AMNOG-Verfahren ein Gegeneinander von Pharmaherstellern und dem GKV-Spitzenverband, konstatierte Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa). Auch Fischer erwartet eher ein "AMNOG 1.1". Allerdings berge die Überarbeitung ein großes Potenzial, "Weichen falsch zu stellen", warnte sie.
Verordnungsampel geht fehl
Als ein Beispiel führte sie das von der Koalition geplante Informationssystem an, das Vertragsärzte zeitnah über Beschlüsse der frühen Nutzenbewertung unterrichten soll. Fischer wies auf Versuche der Kassen hin, die GBA-Beschlüsse zur frühen Nutzenbewertung als Therapieempfehlungen umzudeuten und so ein System der "selektiven Erstattung" zu installieren. Dafür sei das AMNOG-Verfahren als Preisregulierungsinstrument nie gedacht gewesen, stellte sie klar.
Unterstützung erhielt sie dafür vom KBV-Vertreter: Vertragsärzten sollten bei der Verordnung Informationen angezeigt werden, die aber nicht als Verordnungsampel, sondern lediglich als Hilfestellung angesehen werden dürften. Eine Verordnungsampel, wie sie der GKV-Spitzenverband ins Spiel gebracht hat, sei viel zu plakativ, die Nutzenbewertungen zu komplex. "Die Ampel würde zu absurden Konstellationen führen", warnte Lack.
Eine AMNOG-Reform wird ein dickes Brett sein, machte die Podiumsrunde deutlich. Maßstab sollte dabei das in der Gesetzesbegründung zum AMNOG genannte Ziel sein: Dass "Menschen im Krankheitsfall die besten und wirksamsten Arzneimittel zur Verfügung stehen".