Praena-Test
Abgeordnete bohren nach
Pränatales Screening auf Trisomie 21: Ein seit zwei Jahren verfügbarer Test wird derzeit im Bundesausschuss beraten. Gesundheitspolitiker fürchten, dass ethische und soziale Fragen ausgeblendet werden.
Veröffentlicht:BERLIN. Der ethisch umstrittene Praena-Test, ein molekulargenetischer Test, der ein pränatales Screening auf Trisomie 21 beim Ungeborenen erlaubt, gerät in den Bundestagsfraktionen immer schärfer in die Kritik.
Im Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) wird der Test gegenwärtig im Rahmen einer Erprobungs-Richtlinie beraten. Im Frühjahr war der GBA nach Sichtung der Herstellerunterlagen zu dem Ergebnis gelangt, "dass der Nutzen der Methode (…) bislang nicht ausreichend belegt ist, sie jedoch hinreichendes Potenzial für eine Erprobung bietet", erläuterte GBA-Sprecherin Kristine Reis auf Anfrage der "Ärzte Zeitung".
Am Ende dieses Prozesses könnte der Praena-Test zur Regelleistung in der GKV werden, bisher kostet er als Selbstzahlerleistung rund 600 Euro. "Optional", so der Hersteller LifeCodexx, erlaube der Test, der ab der 9. Schwangerschaftswoche angewandt werden kann, auch die Geschlechtsbestimmung des Kindes.
"Beratungen im GBA abwarten"
BMG-Staatssekretärin Ingrid Fischbach (CDU) präsentierte am 8. Oktober den Abgeordneten im Gesundheitsausschuss des Bundestags einen staubtrockenen "Sachstandsbericht", der das Vorgehen im Bundesausschuss referiert und mit den Worten schließt: "Insgesamt sind die Beratungen des GBA abzuwarten." Das war den Parlamentariern zu wenig, es gab fraktionsübergreifend kritische Nachfragen.
Katrin Vogler, Sprecherin für Arzneimittelpolitik und Patientenrechte der Linksfraktion, hält es für "höchst bedenklich, dass der GBA die ethische und soziale Komponente von nichtinvasiven Pränataltests zum Aufspüren von Trisomie 21 komplett außen vorlässt."
Der Test leiste einer weiteren Stigmatisierung von Menschen mit Trisomie 21 Vorschub, sagt auch der grüne Gesundheitspolitiker Dr. Harald Terpe. Das dürfe nicht mit Mitteln der GKV geschehen. "Das hilflose Agieren der Bundesregierung zeigt, dass sie keine Handhabe hat, die Übernahme von ethisch bedenklichen Produkten in die medizinische Regelversorgung zu verhindern", sagte Terpe der "Ärzte Zeitung."
Welcher therapeutischer Nutzen?
Kritik kommt auch aus dem Koalitionslager. "Es stellt sich die Frage, welchen therapeutischen Nutzen der Praena-Test für das Ungeborene haben soll", sagt Hubert Hüppe (CDU), ehemaliger Behindertenbeauftragter der Bundesregierung. Hüppe verweist darauf, dass nach Paragraf 15 Gendiagnostikgesetz eine vorgeburtliche genetische Untersuchung nur dann vorgenommen werden dürfe, wenn sie medizinischen Zwecken dient.
Dem stimmt Katrin Vogler zu: "Die Betroffenen selbst haben keinen Vorteil von der Früherkennung, weil dieser keine Therapie folgt." Sie sieht darin nicht nur einen Widerspruch gegen das Gendiagnostikgesetz. Zudem werde mit dem Test gegen das Diskriminierungsverbot von Menschen mit Behinderungen verstoßen, außerdem würden die Ziele der "UN-Behindertenkonvention ausgehebelt".
Nach Darstellung von GBA-Sprecherin Reis dient die Erprobungsrichtlinie vor allem dem Ziel, nachzuweisen, ob die Sensitivität des Tests hinreichend hoch ist, "um bei negativem Testergebnis künftig auf eine invasive Chromosomendiagnostik ausreichend sicher (…) verzichten zu können".
Ein "sekundäres Ziel" der Studie solle darin bestehen, "die Akzeptanz des Tests und die weiteren diagnostischen Testeigenschaften und -konsequenzen zu untersuchen".
Alle genetischen Untersuchungen im Rahmen der Studie dürfen nur dann erfolgen, wenn sie im Einklang mit dem Gendiagnostikgesetz stünden, berichtet Reis. Dies verlange neben ärztlicher Aufklärung und schriftlicher Einwilligung auch eine genetische Beratung nach Vorliegen des Testergebnisses.
Als der Gesetzgeber 2012 mit dem Versorgungsstrukturgesetz das Instrument der Erprobung von neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden schuf, hat er vermutlich Medizinprodukte mit ethischen Nebenwirkungen wie den Praena-Test nicht im Blick gehabt.
Es habe schon bei der Markteinführung des Tests keine "politische Steuerung" gegeben, beklagen kritische Verbände, unter ihnen das Gen-ethische Netzwerk aus Berlin, in einer Stellungnahme.
Nun folgt nach Meinung der Verbände der GBA "erneut den Regeln des medizinischen Marktes. Der Test ist da und die zentrale Frage ist nur: Macht er die pränatale Risikoabschätzung sicherer und effektiver?"