Personalmangel
Abgeordnete sehen bei der Pflege dringenden Handlungsbedarf
Der Bundestag hat über zwei Anträge der Linken zur besseren Personalausstattung in der Alten- und Krankenpflege diskutiert. In einem Punkt sind sich parteiübergreifend alle einig: Es müssen schnell Lösungen her.
Veröffentlicht:BERLIN. Mag sich die Bildung einer neuen Regierung noch hinziehen, der Bundestag nimmt sich trotzdem schon drängender Probleme an. So wurde am Dienstagnachmittag über zwei Anträge der Linken debattiert, die sich mit der Personalsituation in Krankenhäusern und Altenpflegeeinrichtungen beschäftigen. Es dürfte eines der wenigen Themen sein, bei dem sich alle Fraktionen einig sind, dass dringender Handlungsbedarf besteht und die Lösung nur in einer deutlich verbesserten Personalausstattung liegen kann. Nur wie und wo das Personal zu finden sein wird und finanziert werden soll, darüber gehen die Meinungen auseinander.
Verbindliche Personalschlüssel
Die Linke fordert in ihren Anträgen unter anderem "die Verhandlungen zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Spitzenverband der Krankenkassen über ‘Personaluntergrenzen‘ zu beenden". Stattdessen sollten verbindliche, arbeitsentlastende und in allen Krankenhausbereichen wirkende Personalbemessungszahlen eingeführt werden.
Diese sollen durch Experten, Gewerkschaften und Patientenvertreter entwickelt werden. Für Altenpflegeeinrichtungen fordert die Linke unter anderem einen bundeseinheitlichen, verbindlichen Personalschlüssel von einer Pflegekraft für zwei Bewohner im Tagdienst und im Nachtdienst von 1 zu 20 als vorläufige Mindestpersonalbesetzung in stationären Pflegeeinrichtungen. Dieser solle bis zur Umsetzung eines wissenschaftlichen Verfahrens zur Personalbemessung im Jahr 2020 gelten. Eine Fachkraftquote von 50 Prozent solle als Mindeststandard eingehalten werden.
Deutschland habe als reichstes Land in Europa beim Verhältnis Patienten zu Pflegekraft die rote Laterne, kritisierte der krankenhauspolitische Sprecher der Linken, Harald Weinberg. Überall dort, wo eine gesetzliche Personalbemessung eingeführt worden sei – zum Beispiel in Kalifornien – habe sich die Situation verbessert.
Gegen verbindliche Anhaltszahlen sprach sich dagegen der CDU-Abgeordnete Lothar Riebsamen aus. "Zu unterschiedlich sind die Aufträge der Krankenhäuser; sie reichen vom normalen Grundversorger bis zur Universitätsklinik. Dafür sei ein starres Verfahren zu aufwändig und bürokratisch. Riebsamen erinnerte daran, dass unter der großen Koalition die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der GKV-Spitzenverband verpflichtet worden sind, bis zum 30. Juni 2018 Personaluntergrenzen für bestimmte Bereiche verbindlich festzulegen. Einigen sich beide Seiten nicht, setzt das Bundesgesundheitsministerium bis zum 1. Januar 2019 die Untergrenzen per Rechtsverordnung fest. Die Auswirkungen der Personaluntergrenzen sollen bis Ende 2022 wissenschaftlich evaluiert werden.
SPD-Fraktionsvize Professor Karl Lauterbach lehnte in der Debatte einen Personalschlüssel nach kalifornischem Vorbild ab. Dabei gehe es lediglich darum, ob Kliniken bei einem Vergleich bestimmte Quoten erreichten oder nicht. Das sei aber kein gesetzlicher Mindeststandard. "Das ist aus meiner Sicht der falsche Weg. Wir brauchen einen sanktionierbaren Weg", forderte Lauterbach. "Wir brauchen tatsächlich einen Mindeststandard", so der Fraktionsvize. Obwohl das nach weniger klinge, sei es mehr. "Denn wer den Mindeststandard nicht einhält, dem kann ich wegen eines Qualitätsproblems die Fallpauschale kürzen."
Neue Wege gefragt
Die FDP-Abgeordnete Christine Aschenberg-Dugnus warf die Frage auf, wo die Pflegekräfte überhaupt herkommen sollen. "In meinem Bundesland Schleswig-Holstein werden schon Abwerbeprämien gezahlt, damit das Pflegepersonal von dem einen zum anderen Krankenhaus wechselt", berichtete sie.
Aschenberg-Dugnus warb dafür, die Rückkehr von Teil- in Vollzeit zu erleichtern. Pflegehelfer sollten sich leichter zu Fachkräften weiterqualifizieren können. Zudem müsse es mehr familienfreundliche Arbeitszeitmodelle und eine bessere Gesundheitsvorsorge für die Pflegekräfte geben.
Der CSU-Abgeordnete Erich Irlstorfer will neue Pflegekräfte auch unter 40 bis 50-Jährigen suchen, die sich einen Berufswechsel vorstellen können. "Wir müssen das zu einem gesellschaftlichen Thema machen", forderte er.
Krankenpflegekräfte gingen nach 13 Jahren aus dem Beruf, Altenpflegekräfte bereits nach acht Jahren. Darauf machte die Grünen-Abgeordnete Maria Klein-Schmeink aufmerksam. "Das muss für uns ein Warnzeichen sein, endlich und auch schnell zu handeln; denn wir können uns diesen Notstand aus verschiedenen Gründen nicht leisten", mahnte Klein-Schmeink.
Die beiden Anträge der Linken wurden an den Hauptausschuss überwiesen. Dieser besteht aus 47 Abgeordneten und wird solange arbeiten, bis die Fachausschüsse ihre Arbeit aufnehmen.