Engagement für Pflegeberufe
Abwicklung der Pflegekammer Schleswig-Holstein: Wer soll jetzt die Lücke füllen?
Mit dem Ende der Pflegeberufekammer im Norden stellt sich die Frage neu, wer künftig eine Vertretung für Pflegekräfte übernimmt und definiert, was gute Pflege ausmacht.
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Protest gegen die Pflegekammer vor dem Landtag in Kiel im November 2019: Die Kritiker haben sich schlussendlich durchgesetzt.
© Carsten Rehder / dpa
Kiel. Rund zwei Monate nach der Abstimmung über die Zukunft der Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein beginnt deren Abwicklung und die Kammer räumt ihren Platz in verschiedenen Gremien. Zugleich hat die Diskussion darüber, wie die Pflege künftig ohne Kammer vertreten werden könnte, begonnen.
„Mit dem Ende ihrer Heilberufekammer verlieren Pflegefachpersonen erheblich an Einfluss“, befürchtet der amtierende Kammer-Vizepräsident im Norden, Frank Vilsmeier. Er erwartet, dass nun berufsfremde Akteure darüber bestimmen werden, „was gute Pflege ist und braucht“.
Auch beim Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) ist man skeptisch, wie die von der Kammer hinterlassene Lücke geschlossen werden soll. „Wir stehen vor der herkulischen Aufgabe, die pflegerische Versorgung der Bevölkerung Schleswig-Holsteins für die Zukunft zu sichern, und wir sehen nach dem Kammer-Aus niemanden, der dieser Aufgabe gerecht werden kann“, sagte Swantje Seismann-Petersen vom DBfK Nord.
Ratlosigkeit bei Sozialpolitikern
Auch in der Landespolitik herrscht in dieser Frage Ratlosigkeit. Bei der Diskussion über die Kammerabwicklung im Landtag verwiesen die Sozialpolitiker in erster Linie auf den Willen der Pflegekräfte, die sich wie berichtet bei der Abstimmung mit fast 92 Prozent gegen die Kammer entschieden hatten. FDP-Politiker und Kammer-Kritiker Dennys Bornhöft betonte, gerne daran mitarbeiten zu wollen, „dass die Pflegekräfte eine Vertretung finden oder gründen, mit der sie gemeinsam auf die Straße gehen würden und nicht gegen sie“. Die Form dieser Organisation dürfe aber nicht von der Politik vorgegeben werden, so Bornhöft. Grünen-Politikerin Dr. Marret Bohn sieht es als Aufgabe des Parlaments, „andere Wege finden zu müssen, um mit der Pflege über die Pflege zu sprechen“. Für Christian Dirschauer vom SSW ist „vor allem die Frage nach einer starken Stimme für die Pflege zentral“. Antworten auf die konnte er wie die anderen Redner nicht geben.
Einzig Birte Pauls von der SPD, die sich stets für die Pflegeberufekammer stark gemacht hatte, unterbreitete einen Vorschlag. Sie forderte regionale Pflegekonferenzen, auf denen Ideen für die Zukunft des Berufsstandes gesammelt werden. Fest steht für sie, dass die Pflegenden eine starke politische Einbindung erfahren müssen.
Probleme bleiben unbearbeitet
Aus Sicht der Kammer selbst bleiben mit der Abwicklung „drängende Probleme unbearbeitet“. Neben der berufspolitischen Vertretung nannte sie als Beispiele die nicht abgeschlossenen Arbeiten an Regelungen zur Absicherung von Pflegenden vor gefährdenden Arbeitsbedingungen und Regelungen zum Schutz der von Pflege abhängigen Menschen vor pflegeunwürdigem Verhalten.
Unklar ist die Zukunft der rund 30 Mitarbeiter der in Neumünster ansässigen Geschäftsstelle der Pflegeberufekammer. Der SSW sieht eine „gewisse Verantwortung des Landes“. Die Mitarbeiter können sich zwar auf Stellen des Landes bewerben, haben aber keinen Anspruch auf Übernahme. Der DBfK befürchtet, dass die Beschäftigten der Geschäftsstelle „auf der Strecke bleiben“.
Geregelt ist dagegen die Beitragsfrage – eine der zentralen Kritikpunkte an der Kammer. Für 2021 werden keine Beiträge erhoben, für 2020 dagegen sind Beiträge zu zahlen, die auch nicht zurückerstattet werden.