Arzneimittelmanagement
AdAM schafft Sicherheit für Polypharmazie-Patienten
Mit dem vom Innovationsfonds geförderten Projekt AdAM ist es möglich, bei Mehrfachverordnungen von Arzneien systematisch Interaktionen und Nebenwirkungen zu erkennen. 650 Hausärzte in Westfalen-Lippe machen bereits mit.
Veröffentlicht:BERLIN. Mit AdAM, der Anwendung für digital unterstütztes Arzneimitteltherapie-Management, erhalten Hausärzte in der KV Westfalen-Lippe derzeit ein neues Werkzeug, um unerwünschte Wechselwirkungen bei Multimedikation aufzuspüren und damit die Therapiesicherheit zu verbessern.
Das gemeinsam mit der Barmer getragene Projekt wird mit 16 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses finanziert.
Ziel ist es, dass das Modell nach erfolgreicher Evaluation als Bestandteil des von der Bundesregierung ins Leben gerufenen Programms zur Verbesserung der Arzneimittel-Therapiesicherheit in die Regelversorgung übernommen wird.
Derzeit nehmen, wie Professor Daniel Grand von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft am Donnerstag bei der Vorstellung des Projekts in Berlin sagte, 650 Hausärzte in der KV Westfalen-Lippe teil, das Ziel liegt bei 1000. Sie sind es, die Patienten, die mehrere Arzneimittel gleichzeitig erhalten, in das Projekt einschreiben – mit deren Einwilligung.
Im Gegenzug erhalten die Hausärzte, basierend auf der Datenbank aller bei der Barmer patientenindividuell abgerechneten Arzneirezepte, und zwar auch die der mitbehandelnden Fachärzte, eine systematische Information über das gesamte Arzneimenü sowie die möglichen unerwünschten Interaktionen.
Dabei sind auch Hinweise auf mögliche Risikokombinationen mit Selbstmedikationspräparaten enthalten. KV und Barmer haben Schulungsprogramme für teilnehmende Ärzte entwickelt und leisten Unterstützung bei der Einrichtung der Praxis-EDV.
Polypharmazie weit verbreitet
Nach einer Analyse des Barmer-Arzneimittelreports 2018 erhalten 21 Prozent der Versicherten mehr als fünf Medikamente gleichzeitig (siehe nachfolgende Grafik).
Der Grund: Fast 33 Prozent der Versicherten leiden unter mindestens fünf chronischen, meist behandlungsbedürftigen Krankheiten.
Bei diesen Patienten mit Polypharmazie sind in 88 Prozent aller Fälle drei oder mehr Ärzte beteiligt, bei einem Viertel sogar mindestens fünf Ärzte. Bei dieser Konstellation kann keiner der behandelnden Ärzte sicher sein, alle verordneten Arzneimittel seiner Patienten zu kennen.
Der Medikationsplan oder auch die elektronische Patientenakte sind keine ausreichend sicheren Instrumente zur Erkennung von Arzneimittelrisiken, da sie unvollständig sein können.
Barmer-Chef Christoph Straub sagte, Hausärzte müssten unter Berücksichtigung der Verordnungen von mitbehandelnden Fachärzten 1800 Wirkstoffe im Blick haben.
Bei Verordnungen von nur zwei Medikamenten gibt es 454.012 Kombinationsmöglichkeiten – und deren Interaktionen könne kein Arzt im Kopf haben. AdAM soll dafür die Lösung sein.
Würde das Projekt in die Regelversorgung ausgerollt, könnten davon bis zu 35 Millionen Patienten profitieren.
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