Was wird aus den NVL?

ÄZQ wird aufgelöst – Verträge gekündigt

Den Nationalen VersorgungsLeitlinien (NVL) könnte das Aus drohen. Denn überraschend haben KBV und BÄK beschlossen, die ÄZQ aufzulösen. Offenbar plant Minister Lauterbach, die Leitlinien in einem neuen Institut erarbeiten zu lassen. Die Rolle der KBV ist nebulös.

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Wer übernimmt künftig das Steuer für die NVL?

Wer übernimmt künftig das Steuer für die NVL?

© Anton Sokolow/stock.adobe.com

Berlin. Das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) wird aufgelöst. Die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung haben die Abwicklung zum 31. Dezember 2024 beschlossen. Das wurde der Ärzte Zeitung am Samstag aus Kreisen der Gesellschafter BÄK und KBV bestätigt. „Die Aufgaben des ÄZQ fallen weg und werden von den Gesellschafterinnen nicht fortgeführt“, hieß es. Dem Vernehmen nach wurde allen Mitarbeitenden am Dienstag dieser Woche gekündigt.

Das ÄZQ war 1995 von KBV und BÄK gegründet worden, zunähst als „Zentralstelle der deutschen Ärzteschaft zur Qualitätssicherung in der Medizin“. Wesentliche Aufgabe ist neben der Erstellung von Patienteninformationen vor allem die Erstellung der Nationalen VersorgungsLeitlinien (NVL). Wer diese Arbeit fortsetzt, war am Samstag nicht zu erfahren.

Selbst die KBV-VV-Chefin überrascht

In Ärztekreisen wird die Sorge geäußert, dass mit der Auflösung der ÄZQ die NVL gänzlich wegfallen könnten. Wenigstens die KBV ist nach Paragraf 75 Absatz 7 SGB V aufgerufen (kann), in Richtlinien „Regelungen zur Qualitätsprüfung“ zu treffen. Die ÄZQ wurde 1997 in eine GbR überführt.

Selbst die Vorsitzende der KBV-Vertreterversammlung Dr. Petra Reis-Berkowicz hat davon erst diesen Samstagmorgen erfahren, wie sie am Mittag bei der Frühjahrstagung des Deutschen Hausärztinnen und Hausärzteverband (HÄV) in Leipzig sagte. Das habe ihr KBV-Vorstandsmitglied Dr. Stephan Hofmeister bestätigt.

„Es geht nicht ums Geld, es geht nicht um die GbR“, sagte Reis-Berkowicz. Die Auflösung der ÄZQ habe im Februar der BÄK-Vorstand „einstimmig“ beschlossen. „Das wusste keiner von uns.“

Auf Drängen der KBV

In für gewöhnlich gut informierten Kammerkreisen wird diese Aussage allerdings zurückgewiesen. So soll die Entscheidung im BÄK-Vorstand nicht im Februar gefallen sein, sondern in der ersten Aprilwoche. Auch war der Beschluss demnach nicht einstimmig, sondern eher knapp. Durchgesetzt haben soll sich eine „Fraktion“ um den Marburger Bund. Andere, ambulante Fächer Vertretende im Vorstand sollen noch versucht haben, das ÄZQ zu retten.

Außerdem soll die BÄK-Abstimmung auf Drängen der KBV zustande gekommen sein. Bereits im vergangenen Jahr soll es zum Thema ÄZQ drei Sitzungen im BÄK-Vorstand gegeben haben.

Seitens der KBV und BÄK seien bereits zwei hochrangige „Liquidatoren“ eingesetzt, um die ÄZQ abzuwickeln, die ein Budget von rund 2 Millionen Euro pro Jahr hat. Für die 16 Mitarbeitenden soll die Entscheidung am Dienstag aus heiterem Himmel gekommen sein.

Leitlinien sollen aus neuem Institut kommen

„Lauterbach plant ein neues Institut“, sagte KBV-VV-Chefin Reis-Berkowitz. Das solle „unter ministerieller Aufsicht“ künftig die NVL erarbeiten. Sie sprach von einer neuen „Unterabteilung unter der Ägide“ des Robert Koch-Instituts (RKI). Nur die für DMP nötigen Leitlinien sollen davon ausgenommen werden, sagte Reis-Berkowicz. „Die würde gerne die KBV erarbeiten.“

Allerdings dürfte mit dem neuen „Institut“ eher das von Lauterbach geplante BIPAM gemeint sein. Das würde den zeitlichen Zusammenhang erklären: Lauterbach hatte die BIPAM-Pläne im Oktober 2023 vorgestellt. Im Sommer letzten Jahres waren Plänen aus seinem Ministerium zur Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bekanntgeworden. Denkbar wäre, dass das Bundesgesundheitsministerium qua Rechtsaufsicht die KBV „gebeten“ hat, aus dem ÄZQ auszusteigen, was aber nur eine unbestätigte Vermutung ist.

Der HÄV-Bundesvorsitzende Dr. Markus Beier bezeichnete es am Samstagmittag als „umso bedenklicher“, wenn Leitlinien unter „staatliche Steuerung“ erstellt werden sollten. „Da müssen sich ein paar Herren fragen, ob sie unterscheiden können, was operatives und politisches Geschäft ist“, so Beier.

Einstimmig hat HÄV-Delegiertenversammlung am Samstagmittag eine Fortsetzung des NVL-Programms gefordert. Die Träger (BÄK und KBV) sollen die „Nationalen Versorgungsleitlinien erhalten und nahtlos fortführen“, heißt es in dem Beschluss. „Dazu muss eine geeignete Anschlussstruktur bis zum 1.1.2025 geschaffen werden.“

Die NVL „zu hausärztlich relevanten Themen wie unipolare Depression, Asthma oder Diabetes mellitus und die daraus abgeleiteten Patient:inneninformationen sind unerlässlich für eine qualitativ hochwertige und evidenzbasierte Arbeit in der hausärztlichen Praxis“, heißt es in dem beschlossenen Antrag. (nös)

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