Corona-Langzeitfolgen
Ärzte fordern bessere Versorgung von Long-COVID-Patienten
In Deutschland leiden rund 370.000 Menschen an den Spätfolgen von COVID-19 – unter ihnen viele junge Menschen, wie Mediziner bei einer Anhörung im Gesundheitsausschuss deutlich machten.
Veröffentlicht:Berlin. Ärzte haben eine bessere Versorgung für Patienten mit Corona-Langzeitschäden gefordert. „Wenn man von 370.000 Patienten ausgeht, die unter Long-COVID leiden, ist es von essenzieller Bedeutung, diese Patienten zu erkennen und ihnen Therapieangebote zu machen“, sagte die Chefärztin der Median Klinik in Heiligendamm Dr. Jördis Frommhold bei einer Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestags.
Frommhold betonte, es sei bisher unklar, wielange die Symptome von Long-COVID andauerten und „ob es überhaupt eine Restitutio ad Integrum gibt“. Auch gesundheitsökonomische und volkswirtschaftliche Auswirkungen seien nicht absehbar. Die Median Klinik hat im Dezember 2020 eine Multicenterstudie zur Wirksamkeit von Reha-Maßnahmen bei Long-COVID-Patienten aufgelegt.
Anerkennung als Berufskrankheit?
Gegenstand der Ausschuss-Anhörung im Bundestag waren Anträge von Linken und FDP. Die Linksfraktion fordert in ihrem Antrag, Long-COVID als Berufskrankheit anzuerkennen. COVID-19 sei nicht nur eine akut gefährliche Krankheit, sondern führe auch häufig zu schweren Langzeitfolgen.
Die FDP-Fraktion verlangt zusätzliche Behandlungskapazitäten für die Betreuung von Patienten mit Spätfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion. Frommhold erläuterte, problematisch seien Patienten mit schwerem Verlauf, die anschließend weiteren Rehabilitationsbedarf aufwiesen. Es habe sich gezeigt, dass in dieser Gruppe sechs Monate nach einem Krankenhausaufenthalt ohne weitere Nachsorge bei 76 Prozent der Patienten weiterhin Symptome vorlägen.
Eine andere Gruppe umfasse Patienten mit einem milden oder moderaten Akutverlauf, die nach einem bis vier Monaten Long-COVID-Symptome entwickeln – darunter vor allem das Fatigue-Syndrom. Patienten dieser Gruppe seien zwischen 20 bis 50 Jahren alt und ohne Vorerkrankungen. Die Ursache für die Beschwerden sei unklar, möglich sei eine Autoimmunreaktion, so Frommhold.
10.000 junge Menschen betroffen
Nach Angaben des Universitätsklinikums Jena sind auch Kinder von Long-COVID betroffen. Bei rund 550.000 Infizierten in der Gruppe der Kinder und Jugendlichen bis 19 Jahre müsse selbst unter der Annahme einer geringen Prävalenz mit mehr als 10.000 Betroffenen gerechnet werden, schreibt der leitende Oberarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Dr. Daniel Vilser, in der Stellungnahme für den Ausschuss.
Da die Primärinfektion bei Kindern oft mild verlaufe und Symptome falsch eingeschätzt würden, sei das Long-COVID-Syndrom in der Altersgruppe vermutlich stark unterdiagnostiziert. Die Versorgungslage für Long-COVID-erkrankte Kinder beschrieb Vilser als „mangelhaft“. Suchten Eltern nach Ansprechpartnern, fänden sie mit Jena und München nur zwei Anlaufstellen in Deutschland.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sprach sich für die Behandlung schwerer Long-COVID-Fälle in Kliniken aus. Es fehlten flächendeckend verfügbare Einrichtungen, in denen Betroffene umfassend behandelt werden könnten.
Viele Fragen unbeantwortet
Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, erklärte, viele Fragen im Zusammenhang mit Long-COVID seien bislang unbeantwortet. Das betreffe die Versorgungsforschung und die Forschung zu medikamentösen und nicht-medikamentösen Therapien.
Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) hatte jüngst angekündigt, ihr Haus wolle die Forschung zu Long-COVID mit zunächst fünf Millionen Euro unterstützen. Das solle aber nur ein erster Schritt sein.