Vor Beginn der 140. Hauptversammlung

Ärztegewerkschaft Marburger Bund drängt auf große Krankenhausreform

Struktur- und Finanzreform müssen beim Umbau der Kliniklandschaft Hand in Hand gehen, fordert MB-Vorsitzende Dr. Susanne Johna. Herumdoktern reiche nicht mehr – und die Länder dürften nicht mauern.

Veröffentlicht:
„Alles beim Alten zu lassen, ist keine Option“: Dr. Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes (Archivbild) zur geplanten Krankenhausreform.

„Alles beim Alten zu lassen, ist keine Option“: Dr. Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes (Archivbild) zur geplanten Krankenhausreform.

© Arne Dedert/picture alliance

Berlin. Klinikärztinnen und Klinikärzte haben einen tiefgreifenden Umbau im Krankenhausbereich angemahnt. „Wir brauchen die größte Krankenhausreform seit 20 Jahren – und zwar länderübergreifend“, sagte die 1. Vorsitzende des Marburger Bundes (MB), Dr. Susanne Johna, am Donnerstag vor Journalisten.

Bislang schrieben – mit Ausnahme Nordrhein-Westfalens – alle Bundesländer ihre Krankenhauspläne nur fort. Alles beim Alten zu belassen, sei aber „keine Option“. Auch ein Herumdoktern am System bringe nichts mehr, erklärte die MB-Vorsitzende.

Dass Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angekündigt habe, das Fallpauschalensystem überwinden zu wollen, sei daher ein gutes Signal, befand Johna. Nötig sei ein neues System auf Basis einer Finanzierung von Vorhaltekosten. Lauterbach will Vorhaltepauschalen zunächst in der stationären Geburtshilfe einführen. Eine Gesetzesänderung könnte im Zuge des Krankenhauspflege-Entlastungsgesetzes auf den Weg gebracht werden. Der Entwurf wurde kürzlich erstmals im Bundestag beraten.

„DRG-System hat komplett ausgedient“

Johna kritisierte, das pauschalierte Abrechnungssystem setze zu viele Fehlanreize. Es zwinge die Krankenhäuser zum Aufbau von Spezialabteilungen, obwohl diese in der Region bereits vorhanden seien. Auch verführe das DRG-System zur Leistungsverdichtung. Das gehe auf Kosten des Personals und trage maßgeblich zu Personalengpässen bei. Das DRG-System sei aber nicht bloß für die Kinderheilkunde und Geburtshilfe ungeeignet. „Es hat komplett ausgedient.“

Lesen sie auch

In einem neuen System müssten Vorhaltekosten entsprechend der Versorgungsstufe eines Krankenhauses als leistungsunabhängige Pauschale von den Kassen finanziert sein, schlug Johna vor. Dadurch bekämen die Kliniken nicht nur mehr Planungssicherheit. Es würden auch Anreize gesetzt, „damit nicht alle Krankenhäuser das tun, was manche besser können“.

Auch müssten – nach den Pflegepersonalkosten – die Kosten für Ärztinnen und Ärzte sowie weiteres patientennahes Personal aus dem DRG-System herausgenommen werden. Kurzfristig seien sowohl Pflegedienst als auch Ärztlicher Dienst durch Bürokratieabbau zu entlasten.

Kurzfristige Entlastung durch Bürokratieabbau

Klinikärzte und Pflegekräfte verbrächten derzeit im Schnitt drei Stunden am Tag mit bürokratischen Pflichten. Senke man diesen Aufwand allein bei den Ärztinnen und Ärzten um die Hälfte auf 1,5 Stunden, ließen sich etwa 33.000 ärztliche Vollzeitstellen für die Versorgung „zurückgewinnen“. „Das würde uns echt in kurzer Zeit viel bringen in der Versorgung – und es kostet kein Geld“, so Johna.

Lesen sie auch

Zu einer großen Krankenhausreform gehöre überdies, dass die Länder ihren Verpflichtungen bei der Investitionskostenfinanzierung nachkämen, machte Johna deutlich. Derzeit blieben die Länder jedes Jahr „mindestens“ drei Milliarden Euro schuldig. Das jüngste Eckpunktepapier der Gesundheitsministerkonferenz habe die Klinikärztegewerkschaft „mit Staunen zur Kenntnis genommen“.

In ihrem Papier pochten die Länder zwar zu Recht darauf, dass Krankenhausplanung Ländersache sei. Das dürfe aber nicht bedeuten, dass bei jedwedem Reformvorschlag „sofort wieder gebremst“ werde. Man hoffe daher auf eine einvernehmliche Lösung zwischen Bund und Ländern. Ansonsten verhallten Vorschläge erneut – „selbst wenn sie gut sind“, so Johna.

NRW-Weg „spannend“

Den in Nordrhein-Westfalen begonnenen Weg, Leistungsgruppen an einzelne Kliniken zu vergeben, nannte Johna „spannend“. Noch befinde sich der Plan aber nicht in der Umsetzung. Auch könne es passieren, dass Krankenhausträger Leistungen einklagten.

An diesem Freitag und Samstag kommen die 235 Delegierten des Marburger Bundes in Berlin zu ihrer 140. Hauptversammlung zusammen. Auch der neunköpfige Vorstand der Ärztegewerkschaft wird neu gewählt. Johna kandidiert erneut als Bundesvorsitzende. Dem Marburger Bund gehören eigenen Angaben zufolge rund 131.000 Mitglieder an. (hom)

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Salesforce hilft Kliniken, die Versorgungsqualität zu verbessern

© Salesforce Germany GmbH

Value Based Healthcare

Salesforce hilft Kliniken, die Versorgungsqualität zu verbessern

Kooperation | In Kooperation mit: Salesforce Germany GmbH
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2024

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Eine Sanduhr, durch die Geldstücke fall

© fotomek / stock.adobe.com

Tag der Privatmedizin 2024

Outsourcing: Mehr Zeit für Patienten!

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Buch mit sieben Siegeln oder edles Werk? KI-Idee einer in Leder eingebundenen neuen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)

© KI-generiert mit ChatGPT 4o

Exklusiv Entwurf unter der Lupe

Das brächte Ihnen die neue GOÄ

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Der Empfang der Gynäkologen-Praxis in Gütersloh: Vor allem die starke Patientinnenbindung überzeugte am Ende das MVZ, das die Praxis erwarb.

© Andreas Peters

Praxismanagement

Privatpraxis abzugeben? Das lässt sich regeln!

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Finanzdienstleister MLP
Insgesamt lässt sich auf jeden Fall sagen, dass die Kosten an vielen Stellen schneller gestiegen sind als der Orientierungswert.

© Leafart - stock.adobe.com

Praxismanagement

So bekommen Sie steigende Praxiskosten in den Griff

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: apoBank
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Belastungsfähigkeit verbessern

Regelmäßig in die Sauna – hilft das bei Herzinsuffizienz?

Lesetipps
Bald nicht nur im Test oder in Showpraxen: Auf einem Bildschirm in der E-Health-Showpraxis der KV Berlin ist eine ePA dargestellt (Archivbild). Nun soll sie bald überall zu sehen sein auf den Bildschirmen in Praxen in ganz Deutschland.

© Jens Kalaene / picture alliance / dpa

Leitartikel

Bundesweiter ePA-Roll-out: Reif für die E-Patientenakte für alle

Betritt unbekanntes Terrain: CDU-Politikerin und designierte Bundesministerin für Gesundheit Nina Warken.

© Bernd Weißbrod/dpa

Update

Überraschende Personalie

Eine Juristin wird Gesundheitsministerin: Das ist Nina Warken