Arzneipreise
Ärztetag fordert Eingriffe des Gesetzgebers
Der Deutsche Ärztetag zeigt sich mit den Ergebnissen des Pharmadialogs unzufrieden. Die freie Preisbildung für ein neues Medikament im ersten Jahr nach der Zulassung sollte gekippt, Marktrücknahmen erschwert werden.
Veröffentlicht:HAMBURG. Der Deutsche Ärztetag hat den Gesetzgeber aufgefordert, bei der Preisermittlung für neue Medikamente nachzusteuern. In einem Entschließungsantrag sprachen sich die Delegierten dafür aus, die freie Preisbildung durch den Hersteller im ersten Jahr nach der Zulassung "abzuschaffen".
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Stattdessen solle sich der Preis am patientenrelevanten Nutzen orientieren. Bislang gilt erst nach dem 13. Monat nach der Zulassung ein Erstattungspreis. Dieser wird auf Basis der Ergebnisse der frühen Nutzenbewertung zwischen Hersteller und GKV-Spitzenverband ausgehandelt.
"Preise, die der Markt hergibt"
Für die Ärzteschaft zeichnete Professor Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission , Trends bei der Entwicklung von Medikamentenpreisen nach. Die von den Herstellern festgelegten Preise orientierten sich an dem, "was der Markt zu zahlen bereit ist", kritisierte der Onkologe.
Trotz der 2011 eingeführten frühen Nutzenbewertung stiegen die Ausgaben zu Lasten der GKV seit 2014 jährlich um rund fünf Prozent, in der Onkologie seien es zehn Prozent.
Mit Sorge sieht Ludwig, dass im vergangenen Jahr in den USA 25 der insgesamt 45 neu auf den Markt gekommenen Wirkstoffe beschleunigt zugelassen worden sind. Damit lägen bei der Zulassung nicht die Erkenntnisse vor, "die wir für eine rationale Pharmakotherapie brauchen", monierte Ludwig.
Seine Gegenrednerin Birgit Fischer musste sich in der Debatte teils scharfer Kritik der Delegierten stellen. Die Hauptgeschäftsführerin des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa) zeigte sich irritiert über eine Debatte, die "pessimistischen Szenarien Raum gibt", sagte Fischer.
Sie warf Ärzten vor, die Debatte so zu führen, "als hätte es das AMNOG nie gegeben". Mittlerweile lägen in Deutschland rund 70 Prozent der Preise für Arzneimittel "unter dem europäischen Durchschnitt". Dem widersprach Ludwig heftig und warf Fischer "Legendenbildung" vor.
Zwei Milliarden Euro Einsparungen
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Die vfa-Geschäftsführerin hingegen verwies darauf, dass der Anteil der GKV-Ausgaben für Arzneimittel seit 2009 von 18,8 auf zuletzt 17 Prozent gesunken sei. "Das AMNOG liefert", so Fischer. Bereits im laufenden Jahr seien durch Erstattungsbeträge Einsparungen in Höhe von 1,34 Milliarden Euro zu erwarten, 2017 würden es knapp zwei Milliarden Euro sein.
Einzelne Ärztetagsdelegierte reagierten mit Unmut auf die Erläuterungen Fischers. Geworben wurde beispielsweise dafür, sämtliche Verbindungen der Ärzteschaft zur Pharmaindustrie zu kappen - etwa mit Blick auf die Fortbildung.
Dagegen warb die vfa-Vertreterin für eine "Allianz für Gesundheit" von Pharmaindustrie und Ärzten. "Wir sind wechselseitig aufeinander angewiesen", sagte Fischer. Diese "Allianz" gebe es schon, entgegneten Redner - es seien die Ärzte, und zwar ohne Industrie.
Vergrätzt zeigten sich mehrere Delegierte über anhaltende Lieferprobleme für wichtige Medikamente. Unter anderem der "Sparwahn" durch die Rabattverträge für Generika habe zu dieser Entwicklung beigetragen. Der Vorsitzende der Arzneimittelkommission sprach sich dafür aus, Hersteller gesetzlich zu verpflichten, die Lieferfähigkeit für ihre Medikamente sicherzustellen.
Dem schloss sich der Ärztetag an. Er forderte den Gesetzgeber in einer Entschließung auf, in Zusammenarbeit mit der Är>zteschaft eine Liste von wichtigen Medikamenten zu erstellen.
Diese müssten von der Pharmaindustrie "ausreichend produziert und für die Therapie jederzeit zur Verfügung stehen", heißt es. Entsprechend sollte der Gesetzgeber Marktrücknahmen von einzelnen Herstellern "durch geeignete Maßnahmen entgegenwirken", fordert der Ärztetag.