Pflege
Alarmruf: Der Mangel an Intensiv-Fachpflegepersonal ist dramatisch
Verbände der Intensivpflege und der Pflegebevollmächtigte der Regierung haben einen Alarmruf abgesetzt: In der Intensivpflege müssen dringend Arbeitsbedingungen und Entlohnung verbessert werden!
Veröffentlicht:Berlin. Die Zahl der Pflegekräfte in den Krankenhäusern sinkt, die Arbeitsbedingungen bleiben verbesserungsbedürftig, eine Entlohnung entsprechend der Qualifikation lässt auf sich warten. Umfragen zufolge spielt ein Drittel der Pflegekräfte mit dem Gedanken, aus dem Beruf auszusteigen.
Nicht die Zahl der Betten und Beatmungsgeräte, sondern die Zahl der Köpfe und Hände ist in der Pandemie das Problem, mahnt der Deutsche Berufsverband für Pflegekräfte.
Jetzt haben auch der Pflegebevollmächtigte der Regierung sowie Verbände der Fachpflege und der Intensivpflege einen Alarmruf abgesetzt. „Der Mangel an Intensiv-Fachpflegepersonal ist teilweise dramatisch“, schreiben die Deutsche Gesellschaft für Fachkrankenpflege (DGF) und die Deutsche interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) in einer Stellungnahme.
Meisterbrief für Intensivpflege
In dem Papier, das sie am Montag dem Pflegebevollmächtigten Staatssekretär Andreas Westerfellhaus überreichten, fordern die Verbände mehr Attraktivität für den Beruf. Die Fachweiterbildung Intensivpflege und Anästhesie sei der Meisterausbildung im Handwerk gleichzusetzen.
In diesem Rahmen solle die Übertragung „heilkundlicher Tätigkeit“ für die Intensivpflege rechtlich abgesichert werden, zum Beispiel bei der Entwöhnung von der Beatmung (Weaning). Zudem solle der politische Einfluss der Pflege über stimmberechtigte Sitze im GBA gestärkt werden.
Um dem Trend entgegenzuwirken fordern die Verbände mehr Grundgehalt für die Intensivpflege, steuerfreie Zuschläge für Sonn- und Feiertags- sowie Nachtarbeit, eine Finanzierung der Fachweiterbildungen und eine Intensivfachkraftquote für alle Bereiche der klinischen Intensivversorgung.
Das fordern die Verbände
Sechs Kernforderungen stehen auf der Liste der Fachverbände:
- Die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung müsse dringend nachgeschärft werden. Sie habe auch auf vielen Intensivstationen zu einem Abbau von Pflegepersonal geführt. Die Verbände warnen davor, in den Intensivstationen „Profitzentren“ zu sehen. Dafür müssten „kreative und moderne Arbeitszeitmodelle“ eingeführt werden, zum Beispiel bei belastenden Tätigkeiten 100 Prozent Entlohnung für 80 Prozent Arbeitszeit.
- Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der interprofessionellen Teams in der Intensivmedizin müssten in den Blick genommen werden. Die physische und psychische Gesundheit der Mitarbeiter benötige Förderung. Perspektivisch sollten Psychologen fest in die Teams auf Intensivstationen eingebunden werden.
- Ein Qualifikations- und Fähigkeitenmix auf Intensivstationen müsse definiert und implementiert werden. Dazu zählten die Bereiche Dokumentation, Patiententransporte, Materialbewirtschaftung, Bettenaufbereitung und mehr. Patienten- und pflegeferne Tätigkeiten sowie die Bürokratie sollten drastisch verringert werden.
- Die Verbände fordern zudem eine gesetzliche Absicherung der Handlungskompetenzen der Fachpflegepersonen. Dafür sollte ein Fachpflegestandard vorgehalten werden.
- Eine Definition von Fach-Intensivpflegekräften vorbehaltenen Aufgaben wie bei der Versorgung von Patienten mit Bauchaortenaneurysma wäre ein deutliches Signal dafür, dass sich Qualifizierung lohnt, finden die Verbände. Dafür müssten die Tarifpartner nachfolgend die Entgeltgruppen neu bewerten.
- Die Pflege solle mit Sitz und Stimme im Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) vertreten sein, der Prozesse der Verkammerung solle von den Landesregierungen unterstützt werden und es solle eine Erhebung zu Anzahl und Qualifikationen der Intensivpflegekräften in Deutschland geben.
Qualifikation soll sich lohnen
„Wir wollen und müssen die Arbeitsbedingungen der Pflegenden verbessern. In der laufenden zweiten oder beginnenden dritten Welle der COVID-19-Pandemie halten sie aus Pflichtgefühl noch durch – aber was kommt danach?“, sagte DIVI-Präsident Professor Gernot Marx am Montag.
Es gehe um die Qualität der Versorgung und damit auch um die Patientensicherheit, ergänzte Lothar Ullrich, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste. Es brauche das deutliche Signal, dass sich Weiterqualifizierung lohne, auch finanziell.
Andreas Westerfellhaus sprach davon, die Forderungen vollends zu unterstützen. Die in Tarifverträgen vereinbarten Arbeitsbedingungen und Arbeitszeitmodelle müssten vollständig von den Kostenträgern finanziert werden. „Nur so wird es gelingen, die Flucht aus dem Pflegeberuf zu stoppen“, sagte Westerfellhaus.