KBV-„Arztzeituhr“
Alle vier Stunden ein Arzt weniger
Die Produktivität in der ambulanten Versorgung sinkt, warnt die KBV und macht darauf mit einer "Arztzeituhr" in ihrem Gebäude aufmerksam. Gründe seien Anstellung, Teilzeit und fehlende Studienplätze.
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"Die Zeit läuft uns davon": Die verfügbare Arztzeit pro Jahr ist im Sinkflug, beklagen die KBV-Vorstände Dr. Thomas Kriedel (v.l.), Dr. Andreas Gassen und Dr. Stephan Hofmeister.
© Anno Fricke
BERLIN. Die Menge an Arbeitszeit der Ärzte schwindet. Darauf macht die Kassenärztliche Bundesvereinigung seit Mittwoch mit einer „Arztzeituhr“ in ihrem Gebäude am Herbert-Lewin-Platz in Berlin aufmerksam.
Die Uhr soll die sinkende Produktivität in der ambulanten Versorgung aufzeigen. „Rein rechnerisch verschwinden mit jeder Minute vergehender Zeit 474 Minuten zur Verfügung stehende Arztzeit“, sagte Dr. Stephan Hofmeister am Mittwoch in Berlin.
Alle vier Stunden verliere die Versorgung somit einen Arzt oder Psychotherapeuten mit einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in der Woche.
Die Uhr, die als „Weltpremiere“ eingeführt wurde, startete mit einem Programmierfehler. Nach einer Reihe von Rückfragen räumten die KBV-Vertreter ein, dass der Erklärungsbedarf und um die Uhr und deren Aussage noch zu hoch sei. Zudem tickte sie nach KBV-Informationen zunächst zu langsam.
Doch die Probleme ließen sich offenbar im Laufe des Nachmittags lösen, so dass sie inzwischen reibungslos funktioniert.
Jahresarbeitszeit von 19 Milliarden Minuten
Für 2017 haben die Vertreter der Vertragsärzte eine Jahresarbeitszeit von mehr als 19 Milliarden Minuten in den Praxen errechnet, die 162.878 Ärzte und Psychotherapeuten erbracht haben. Umgerechnet auf die klassische 40 Stunden-Woche ergeben sich nach KBV-Angaben daraus knapp 180.000 „Vollzeitäquivalente“.
Die Zahl der ‚Ärzte und Psychotherapeuten an und für sich werde bis 2025 nicht abnehmen, schätzt die KBV. Die Produktivität dieser Zahl von Ärzten und Psychotherapeuten werde jedoch in den Sinkflug gehen.
Weil zunehmend mehr Ärzte angestellt und überdies in Teilzeit arbeiten und gleichzeitig die Zahl der selbstständig tätigen Ärzte abnimmt, werde die Jahresarbeitszeit bis 2025 auf gut 16,7 Milliarden Minuten abnehmen, heißt es in der Rechnung der KBV.
Damit würden auch 21.250 „Vollzeitäquivalente“ verschwinden. „Anstellung ist ein klarer, kontinuierlicher Trend bei den Ärzten“, sagte Hofmeister.
Der Rechnung liegt die Entwicklung der Arztzeit in den Jahren von 2010 bis 2017 zugrunde, die linear fortgeschrieben wurde. In diesem Zeitabschnitt lag der Rückgang der Arztzeit bei 11,8 Prozent.
Gassen kritisiert Länder - und das TSVG
KBV-Chef Dr. Andreas Gassen kritisierte die Länder für ihre Untätigkeit beim Ausbau der Studienplatzkapazitäten. Gleichzeitig wolle die Politik mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) den abnehmenden ärztlichen Kapazitäten weitere Versorgungspflichten aufbürden, sagte Gassen.
Er forderte den Gesundheitsminister auf, die geplanten offenen Sprechstunden für bestimmte Facharztgruppen nicht verpflichtend einzuführen. Vielmehr sollten die KVen diese Sprechstunden je nach Bedarf regional einsetzen können.
Gassen kritisierte zudem den Überweisungsvorbehalt für diese Sprechstunden. Bei abnehmender Arztarbeitszeit würden mit jedem dieser Vorgänge zwei Ärzte belastet.
Zudem werde Bürokratie aufgebaut. Es müsse zwischen neuen und Bestandspatienten unterschieden werden. Schon heute verlören Ärzte im Wochenschnitt rund 7,4 Stunden an die Bürokratie.
Digitalisierung sei kein Allheilmittel gegen die sinkende Produktivität, sagte KBV-Vorstand Dr. Thomas Kriedel. „Arztminute bleibt Arztminute, gleich ob digital oder analog.“
Wir haben den Beitrag aktualisiert am 23.01.2019 um 15:44 Uhr.