Studie 50plus
Angehörige schultern finanzielle Last der Pflege
Etwa drei Viertel der gut vier Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland werden von Angehörigen betreut. Viele hängen für die Pflege den Job an den Nagel und nehmen so erhebliche finanzielle Einbußen hin, wie eine Befragung zeigt.
Veröffentlicht:Berlin. Pflegebedürftigkeit führt nicht nur im stationären Setting zu finanziellen Belastungen – Stichwort sind hier steigende Eigenanteile bei den Heimkosten. Auch im häuslichen Bereich sind die finanziellen Bürden erheblich.
Dabei fühlen sich vor allem jene belastet, die für Angehörige die Pflege übernehmen, wie aus einer Studie des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) hervorgeht. Demnach konstatieren weniger die Älteren und damit jener Teil der Bevölkerung, der besonders von Pflegebedürftigkeit betroffen ist, erhebliche finanzielle Einbußen, sondern vor allem die Altersgruppen bis 40 Jahre. Für die Untersuchung wurden im Sommer 2020 mehr als 3000 Bundesbürger befragt.
Oft Einschränkungen im Beruf
Dabei sollten sowohl Angehörige als auch Pflegebedürftige angeben, wie groß oder klein sie die Finanzeinbußen infolge der Pflegesituation einschätzen. Jeweils knapp 60 Prozent der 18- bis 39-Jährigen stufen die Abstriche als „groß“ ein. Mit zunehmendem Alter sinkt dagegen der Anteil derer, die große Einbußen beklagen.
Viele Angehörige würden ihre Erwerbstätigkeit wegen der übernommenen Pflege ganz oder teilweise aufgeben, sagte DIA-Sprecher Klaus Morgenstern. „Es findet – anders als bei der stationären Pflege – also zusätzlich eine indirekte Finanzierung durch Angehörige statt. Diese verzichten freiwillig auf Einkommen.“
Ältere Pflegebedürftige selbst empfänden ihre Lage weniger als finanzielle Verlustsituation. Zwar müssten sie oftmals Alterseinkünfte und Erspartes für die Finanzierung der Pflegekosten aufwenden. Das betrachte aber nur etwa ein Fünftel der 60-Jährigen und Älteren als große finanzielle Einbuße, so Morgenstern.
Dennoch große Pflegebereitschaft
Ungeachtet des Umstands, dass die Pflege von Angehörigen zu Einbußen führen kann, ist die Bereitschaft dazu laut DIA-Erhebung „ausgesprochen groß“. Knapp zwei Drittel der Befragten sagen, dass sie sich die Pflege von Angehörigen ganz oder teilweise vorstellen können. Für 17 Prozent kommen Pflegetätigkeiten nicht infrage. Für 13 Prozent ist die Frage irrelevant, da sie zum Beispiel keine Angehörigen haben.
Für den Fall einer späteren Pflegebedürftigkeit bauen viele der Befragte auf ihre Kinder. So gehen „Kinderlose“ zu 40 Prozent davon aus, dass sie später mit einer guten Pflege rechnen können. Mit steigender Kinderzahl nimmt diese Erwartung zu. Unter Befragten mit vier und mehr Kindern rechnen fast zwei Drittel mit einer guten Pflege im Alter.
Linke: Angehörige als Lückenbüßer
Die Opposition nahm die Studie zum Anlass für scharfe Kritik am Pflegekurs der Bundesregierung. „In der pflegerischen Versorgung Älterer gibt es erhebliche Lücken“, sagte die pflegepolitische Sprecherin der Linksfraktion, Pia Zimmermann.
Die Lücken ließen sich durch eine stärkere Belastung der privat Pflegeversicherten „leicht“ schließen, so Zimmermann. Das aber lehne die Bundesregierung ab, „um die Spitzenverdiener zu schonen“. Pflegende Angehörige zahlten dafür mit „Selbstausbeutung und oft mit Armut.“
Grüne für Lohnersatzleistung
Die Grünen brachten die Einführung einer steuerfinanzierten Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige ins Spiel. „Das Engagement dieser Menschen ist Baustein einer Sorgekultur und Ausdruck einer gesellschaftlichen Solidarität“, betonten Charlotte Schneidewind-Hartnagel, Sprecherin für Zeitpolitik, und Kordula Schulz-Asche, Sprecherin für Alten- und Pflegepolitik der Grünen-Fraktion.
In Deutschland pflegten knapp fünf Millionen Menschen Angehörige, Nachbarn oder Freunde. Dabei handele es sich um eine „gesellschaftsrelevante“ Leistung, so die Grünen-Politikerinnen. Daher sei eine Entlastung bei informeller Pflege nur folgerichtig.