Pflegestärkungsgesetz
Arbeitgebern passt die ganze Reform nicht
Bei der Anhörung im Gesundheitsausschuss werden am Mittwoch verschiedene Sichtweisen auf den Entwurf für das Pflegestärkungsgesetz aufeinanderprallen - doch das Lob überwiegt.
Veröffentlicht:BERLIN. Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz erhält von vielen Seiten gute Noten – doch auch Fundamentalkritik wird am Mittwoch bei der Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags zu hören sein.
Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) fürchtet mit dem Gesetz den Startschuss für eine "Plünderung der Altenpflege". Denn die von der Regierung gewollten Verbesserungen in der Personalausstattung in Krankenhäusern "werden einzig auf Kosten der Heime und Pflegedienste gehen", heißt es.
Kliniken werde jede zusätzliche und jede aufgestockte Stelle finanziert. Auch bei der Ausbildung würden Auszubildende im ersten Jahr im Krankenhaus nicht angerechnet.
Dagegen bleibe in der Altenpflege – ungeachtet der Ankündigungen im "Sofortprogramm Pflege" – "alles beim Alten", so der bpa. Das werde einem Abwerbeprozess von Pflegepersonal durch Krankenhäuser Vorschub leisten.
BDA fährt scharfes Geschütz auf
Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) fährt scharfes Geschütz gegen das Vorhaben auf, Tarifsteigerungen in der Pflege künftig vollständig über höhere Sozialversicherungsbeiträge zu refinanzieren. Damit werde "das Konzept der Lohnfindung durch Tarifverhandlungen ad absurdum geführt", rügt die BDA.
Die Arbeitgeber bezweifeln die Notwendigkeit "überproportionaler Gehaltssteigerungen" in der Pflege. Die absehbar höheren Preise für Pflegeleistungen müssten angesichts des Teilkasko-Charakters der Pflegeversicherung von den Betroffenen aufgebracht werden.
Wasser in den Wein gießt der Jurist Professor Gregor Thüsing von der Universität Bonn als Einzelsachverständiger.
Es sei "bemerkenswert", dass jede zusätzliche Stelle für Pflegekräfte finanziert werden soll, und zwar "unabhängig davon, wie gut die Pflege in der Einrichtung bisher war". Man finanziere ausgehend von einem Status quo – ohne aber ein Ziel zu definieren.
BÄK: Gesetz könnte Trendwende einleiten
Was steht im Gesetzentwurf?
In der stationären Altenpflege sollen 13.000 Pflegestellen zusätzlich geschaffen werden. Kassen gehen allein dafür von Kosten in Höhe von 650 Millionen Euro aus.
KVen und Pflegeheime werden verpflichtet, Kooperationsverträge zu schließen. Aus der Soll- wird eine Muss-Regelung.
Pflegepersonalkosten sollen unabhängig von DRG-Pauschalen über ein hausindividuelles Pflegebudget vergütet werden.
Mehr Geld für die betriebliche Gesundheitsförderung von Pflegekräften: Ein Euro pro Versicherten sind vorgesehen.
Ganz anders liest sich die Position etwa der Bundesärztekammer. Das Gesetz könne eine "Trendwende" einleiten.
Denn mit der Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus dem Fallpauschalensystem ab 2020 bestehe die Chance, wegzukommen vom "rein preisgetriebenen Wettbewerb zu Lasten des Personals und der Patientenversorgung".
Allerdings sollten nicht nur die Kosten des Pflegepersonals, sondern die aller Gesundheitsberufe im Krankenhaus aus dem DRG-System herausgenommen werden.
Aus Sicht des Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) besteht die Gefahr, dass trotz der veränderten Finanzierung "der Status quo fortgeschrieben wird".
Denn die Finanzierung der Pflegepersonalkosten bleibe auch künftig im DRG-System verankert. Dafür sorgten Instrumente wie Pflegeerlöskatalog oder Pflegeentgelt, die auf die je Klinik zu vereinbarenden Pflegebudgets zurückwirken.
Die Gewerkschaft verdi moniert, dass kein fachlich anerkannter Maßstab vorgesehen ist, wie eine bedarfsgerechte und wirtschaftliche Personalbesetzung konkret aussieht.
Verdi erinnert an Instrumente wie die Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV), die einige Zeit als verbindliches Personalbemessungsinstrument etabliert war. Dieser Maßstab sollte weiterentwickelt und bei Verhandlungen über das Pflegebudget einer Klinik eingesetzt werden, schlägt verdi vor.
Kliniken für Korrekturen
Lob und Tadel erhält das Pflegepersonalstärkungsgesetz von der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Die Rahmenbedingungen für die 400.000 Pflegekräfte würden sich verbessern, erklärt die DKG anlässlich der Anhörung.
Der Fokus auf die Pflege greife aber zu kurz. Die Finanzierung des gesamten Personals müsse besser abgesichert werden. Es dürfe keine Diskriminierung einzelner Berufsgruppen geben.
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