Lieferengpässe

Arzneimittelknappheit schlägt auf Therapiesicherheit durch

Die Zahl der Lieferengpässe bei Arzneimitteln nimmt zu. Das gefährdet zunehmend auch die Sicherheit der Patienten.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Made in Germany – das wird bei Medikamenten immer seltener. Vor allem die Produktion von Grundstoffen verlagert sich zunehmend auf wenige Hersteller in China und Indien.

Made in Germany – das wird bei Medikamenten immer seltener. Vor allem die Produktion von Grundstoffen verlagert sich zunehmend auf wenige Hersteller in China und Indien.

© [M] sth

BERLIN. Engpässe in der Arzneimittelverfügbarkeit schlagen unmittelbar auf die Patientenversorgung durch. Allein der Rückruf von Arzneimitteln mit dem AT1-Antagonisten Valsartan im Jahr 2018 habe 40 Prozent des Marktes, sprich eine Million Patienten, betroffen, sagte Dr. Michael Horn vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) am Mittwoch bei einem Symposium der Gesellschaft für Recht und Politik im Gesundheitswesen (GRPG) in Berlin.

Von den 195 valsartanhaltigen Präparaten auf dem Markt hätten 128 den Wirkstoff des chinesischen Herstellers enthalten, bei dem möglicherweise krebserzeugende Nitrosamine gefunden worden waren.

Im Jahr 2018 kam es nach BfArM-Angaben vor allem daher zu 226 Erstmeldungen von Lieferengpässen, weil alleine 118 auf das verunreinigte Valsartan zurückgingen. Die Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen, Magdalene Linz, rechnete vor, dass Apotheker in der Woche etwa 5,6 Stunden alleine dafür aufwänden müssten, um Engpässe zu managen.

Kritische Konzentration auf wenige Hersteller

Die globalisierte und zunehmend bei wenigen Herstellern in China und Indien konzentrierte Produktion von Grundstoffen für die Medikamentenproduktion werde für weitere Lieferengpässe voraussichtlich auch in diesem Jahr sorgen, sagte BfArM-Mitarbeiter Horn.

Herstellungsmängel sind aber nur die eine Seite der Medaille. „Europa zahlt schlecht“, sagte Professor Frank Dörje, Präsident des Bundesverbands Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA). Die Pharmahersteller würden ihre Produkte daher dort anbieten, wo sie höhere Preise erzielen könnten.

Große Krankenhausapotheken in Universitätskliniken, die bis zu 2400 Medikamente vorhalten müssten, kämpften daher rund dreimal in der Woche mit Lieferproblemen. Betroffen seien vor allem Injektionen und Infusionen. Wegen häufiger Umstellungen leide die Arzneimitteltherapiesicherheit.

Lagerhaltungspflicht als Gegenstrategie?

Dörje forderte als Gegenstrategien eine Lagerhaltungspflicht auch für die Unternehmen und die Bevorzugung europäisch hergestellter Wirkstoffe in Rabattverträgen der Kassen. Er verwies auf ein Beispiel in den USA, wo drei große Klinikketten gemeinsam eine eigene Generikaproduktion aufgebaut hätten, um Lieferengpässen zu entgehen.

Die Produktion in Europa zu halten, werde immer schwieriger, sagte Dr. Siegfried Throm vom Verband forschender Pharmaunternehmen (vfa). Je größer die Produkt- und die Anbietervielfalt sei, desto kleiner falle das Ausfallrisiko aus. Völlig verschwinden werde es aber nicht.

Lesen Sie dazu auch: Europol: Onkologika? Fälscher kennen keine Gnade

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Erstmals randomisiert geprüft

Wohl kaum Schutz vor Kolorektalkarzinom-Rezidiven durch ASS

Hinweis aus Registerstudie

Welchen Einfluss NSAR auf das Nierenkrebs-Risiko haben

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Leckere und gesunde Ernährung

Remission bei Morbus Crohn: Das glückt auch mit einer rein oralen Diät

DGK-Jahrestagung

Präzisionsmedizin: Die Kardiologie ist auf dem Weg

Wechselspiel zwischen Hirn und Pankreas

Demenz & Diabetes: Welche Vorteile das CGM bietet

Lesetipps
Dreidimensionale medizinische Illustration von Nierenkrebs, die das Vorhandensein eines Tumors in der Niere zeigt.

© Crystal light / stock.adobe.com

Hinweis aus Registerstudie

Welchen Einfluss NSAR auf das Nierenkrebs-Risiko haben

Eine Frau greift sich mit beiden Händen um den Nacken.

© fizkes / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Leitlinien-Update

Polymyalgia rheumatica: Aktualisierte Empfehlungen sind online

Eine Ärztin tastet den Hals einer Frau zur Diagnose von Schilddrüsenerkrankungen und Hypothyreose ab.

© Peakstock / stock.adobe.com

US-Review

Wie mit latenter Hypothyreose bei älteren Patienten umgehen?