KBV-Netzkonferenz
Arztnetze suchen ihre Rolle im Gesundheitswesen von morgen
Wie die medizinische Versorgung digital unterstützt und mit der Pflege verknüpft werden kann, lässt sich bereits heute in Arztnetzen beobachten. Der Status als Versuchslabore führt zu Forderungen nach mehr Verantwortung.
Veröffentlicht:BERLIN. Arztnetze können schnell auf Lücken in der ambulanten Versorgung reagieren, die sich trotz des flächendeckenden KV-Systems auftun. Sie sind damit ideale Versuchslabore für neue Versorgungsformen, auch digital gestützte, sagte der Vorstandsvorsitzende der Agentur deutscher Arztnetze Dr. Veit Wambach bei der Netzkonferenz der Arztnetze und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) am Freitag in Berlin. Diese Beiträge zur Sicherstellung führen regelmäßig auch zu Forderungen an die Gesundheitspolitik.
"Die Netze werden in dieser Legislaturperiode berücksichtigt werden", wagte Wambach einen Blick in die Zukunft. Nach einem Gespräch mit Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gehe er davon aus, dass Arztnetze mehr Verantwortung für die Versorgung in strukturschwachen Regionen übertragen bekommen könnten.
Wambach warnte allerdings vor einem Leistungserbringerstatus für Arztnetze, wie er aus den Reihen der Netzärzte immer wieder gefordert wird. "Es ist nicht klar, welche Pflichten damit auf die Netze zukommen könnten", sagte Wambach. Die Netze sollten ihre Forderungen darauf beschränken, selbst Ärzte anstellen und Medizinische Versorgungszentren gründen zu dürfen. Dr. Andreas Lipécz vom Nürnberger Ärztenetz QuE verwies darauf, dass Arztnetze Zusammenschlüsse selbstständiger Freiberufler seien. Als Arbeitgeber für Ärzte sollten Netze nur dann handeln, wenn es die Perspektive gebe, dass sich die Angestellten nach einer überschaubaren Zeit ebenfalls niederließen. "Sonst enden wir als Konglomerate angestellter Ärzte", sagte Lipécz.
KBV-Vorstand Dr. Thomas Kriedel sprach sich gegen einen Schnellschuss Richtung Leistungserbringerstatus für die Arztnetze aus. Zuvor müsse klar auszumachen sein, wie sich die Netze als Leistungserbringer gegen Medizinische Versorgungszentren und überörtliche Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) abgrenzen könnten.
In den von 6000 Ärzten getragenen bundesweit bislang 70 Netzen lassen sich bereits heute Ansätze digitaler Versorgung besichtigen, wie sie in absehbarer Zukunft flächendeckend ausgerollt werden sollen. Interesse besteht vor allem an elektronischen Gesundheitsakten.
- An der polnischen Grenze hat die AOK-Nordost im März das Projekt "Haffnet" aufgesetzt. Hinter Plattform und Akte stehen ein Ärztenetz und zwei Kliniken. Ziele sind reibungslose Versorgungsübergänge und Arzneimitteltherapiesicherheit. Für den Anfang werden rund 8000 AOK-Versicherte erreicht. Projektleiter Christian Klose betonte, dass die Teilnahme allen Akteuren im Gesundheitswesen offen stehen solle, auch anderen Krankenkassen. "Der Wettbewerb kann nicht um die Infrastruktur gehen", sagte Klose. Gewünscht sei eine einheitliche Infrastruktur. Die AOK führe dazu Gespräche mit der Techniker Krankenkasse.
- Die Pflege bezieht ein Projekt in Solingen ein. Das Netz "solimed" bezeichnet sich als größten Anwender einer elektronischen Patientenakte in Deutschland. Start war 2008. 25.000 Patienten nehmen daran teil. Mit dem "ePflegebericht" testet solimed nun ein sektorenübergreifendes Versorgungsmanagement für pflegebedürftige geriatrische Patienten. Das Land fördere das Projekt, das noch bis 2020 läuft, mit 4,8 Millionen Euro, berichtete Geschäftsführer Mark Kuypers.
- Der Austausch von Informationen steht auch im Projekt "App zum Arzt" in Lippe im Mittelpunkt. Eine Anwendung ist, Medikationspläne auf Papier in die App zu übernehmen. Zehn Praxisnetze mit rund 1000 Praxen machten mit, berichtete Constanze Liebe vom Ärztenetz Lippe.