Mit 120 Gray Strahlung

Atomenergiebehörde sterilisiert Zika-Mücken

Die Forscher nennen es martialisch: Selbstvernichtungsverfahren. Dahinter verbirgt sich eine Technik, die im Kampf gegen das Zika-Virus, aber auch gegen andere Tropenkrankheiten helfen könnte.

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Das sogenannte Selbstvernichtungsverfahren soll im Kampf gegen das Zika-Virus helfen.

Das sogenannte Selbstvernichtungsverfahren soll im Kampf gegen das Zika-Virus helfen.

© Helmut Fohringer / dpa

SEIBERSDORF  Es riecht streng im Labor - eine malzig, metallene, modrige Note liegt in der Luft. In großen Schalen liegt das Futter für die Mücken, bestehend aus Fischmehl, Hefe, Rinderleber in Pulverform und Kuhblut. Auch die Larven der Gelbfiebermücke (Aedes aegypti), die das Zika-Virus überträgt, gedeihen so prächtig.

Sterilisierung durch radioaktive Strahlung

In den vielfach gesicherten Räumen der „Insect Pest Control“ der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) im österreichischen Seibersdorf wachsen Zehntausende von Fruchtfliegen, Tsetse-Fliegen und Mücken heran. Das Ziel: Die Männchen unter ihnen mit radioaktiver Strahlung zu sterilisieren und so Plagen wie Zika, Dengue und Gelbfieber einzudämmen.

„Es ist eine Umkehrung des Ansatzes, die Moskitos mit Insektiziden zu töten. Es geht vielmehr darum, die Fortpflanzung zu unterbrechen“, sagt der Leiter des IAEA-Labors, Marc Vreysen. Die IAEA, besser bekannt als Überwachungsbehörde für alle zivilen atomaren Anlagen, nutzt ihr Atomkraft-Know-How seit vielen Jahren auch zur Insektenbekämpfung.

Auf dem etwa einwöchigen Weg vom Ei, über die Larve und Puppe hin zum Insekt wartet die Bestrahlungsbox. Im Puppenstadium werden die männlichen Exemplare einer Strahlung von 120 Gray ausgesetzt. „Das wäre für einen Menschen tödlich“, sagt Vreysen.

Bereits 30 Projekte weltweit

Die etwa 45 Experten in Seibersdorf wollen mit ihrer Arbeit die Grundlage schaffen, damit die von Tropenkrankheiten und Schadinsekten betroffenen Länder in eigener Regie erfolgreich die Methode anwenden können. Das größte der etwa 20 bis 30 Projekte weltweit läuft laut IAEA derzeit in Guatemala. Dort werden etwa eine Milliarde bestrahlte und damit unfruchtbare Fruchtfliegen pro Woche freigesetzt, um die Obstplantagen in der Region vor Schäden zu schützen.

Auch in den USA läuft ein Projekt mit bestimmten Fruchtfliegen, die Pflanzen schädigen. „Die USA und Mexiko sind frei von diesen Fruchtfliegen, und sie wollen, dass das so bleibt.“ meint Vreysen. Das Projekt wirke wie eine biologische Hürde gegen eine Verbreitung dieser Schädlinge.

Trennung von Männchen und Weibchen

„Das sind die Jungs“, Rosemary Lees, Moskito-Expertin der IAEA, zeigt auf Hunderte von Larven und Puppen von Aedis aegypti, die sich in einer mit Wasser gefüllten Schale tummeln. Im Fall der Gelbfiebermücke ist die wichtige und aufwendigen Trennung von Männchen und Weibchen leichter, denn die Herren dieser Art sind kleiner.

Das Sortieren nach Geschlecht ist eine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Methode. „Würden wir einfach alle bestrahlen, würden sich Männchen mit unfruchtbaren Weibchen paaren. Sie sollen sich aber mit fruchtbaren Weibchen vereinen, die dann Eier legen, die sich nicht mehr entwickeln“, sagte Lees.

Steril, aber noch fit

Die Forscher arbeiten unter anderem an der optimalen und möglichst billigen Rezeptur für die Fliegennahrung. „In Guatemala werden 30 Tonnen Futter pro Tag gebraucht“, sagt Vreysen. Aber auch die stets beste und der Art angepasste Bestrahlungs-Dosis bleibt eine Aufgabe, um das Selbstvernichtungsverfahren besonders wirkungsvoll zu gestalten. „Wir wollen immer den Punkt finden, an dem die Männchen steril, aber noch fit sind“, so Lees.

Zum Fitness-Test sind in einem Treibhaus Orangenbäume aufgestellt, damit sich die Fruchtfliegen besser tummeln und beobachtet werden können. Die Mücken dagegen brauchen keinen Pflanzen-Schnickschnack, um sich wohlzufühlen und haben daher nur eine schmucklose von Netzen geschützte Zone zum Austoben. Mit dem Rat aus Seibersdorf ist es schon in diversen Weltgegenden gelungen, die von Insekten übertragenen Krankheiten für Mensch und Tier einzudämmen oder gar auszurotten.

So ist die Insel Sansibar vor Ostafrika seit 20 Jahren dank dieser Methode frei von der Tsetse-Fliege, die Viehherden schädigt und Menschen krank macht. Im Senegal läuft laut IAEA ein ähnliches Projekt. Die Sterilisation ist nicht die einzige Methode, ohne Einsatz von Insektiziden auszukommen.

 Die britische Firma Oxitec hat sich darauf spezialisiert, die Moskitos genetisch zu verändern und so die Ausbreitung von Krankheiten besser zu kontrollieren. „Unser Ansatz ist eine Ergänzung“, heißt es auch bei der Atomenergiebehörde. Welche Menge an sterilisierten Gelbfiebermücken in Brasilien zur Bekämpfung von Zika nötig wäre, wagen die Experten der IAEA zur Zeit nicht zu schätzen.

„Eine Insel wie Sansibar ist natürlich einfacher anzugehen“, sagt Vreysen. Einige Unternehmen infizieren beispielsweise Gelbfiebermücken mit dem Bakterium Wolbachia pipientis, das bei den Männchen die Spermien verändert. Paaren sie sich mit nichtinfizierten Weibchen, so stirbt der Nachwuchs in einer frühen Entwicklungsphase. Im März plant China einen entsprechenden Feldversuch im Süden des Landes, um die Dengue- und Zika-Viren übertragenden Mücken zu reduzieren.

Erster Zika-Fall in China

Unterdessen hat China den ersten Zika-Fall bestätigt. Infiziert habe sich nach Angaben der Behörden eine 34-jähriger Mann, der sich kürzlich in Venezuela aufgehalten habe, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua.

Der Mann habe nach der Rückkehr plötzlich unter Fieber, Kopfschmerzen und Unwohlsein gelitten. Am 6. Februar sei er in Ganxian in der ostchinesischen Provinz Jiangsu in Quarantäne gesteckt worden. Er habe sich schon wieder erholt.

Die Gesundheitskommission in Peking betonte, dass das Risiko einer weitere Verbreitung des Virus wegen der niedrigen Temperaturen „extrem gering“ sei.

Der Erreger steht im Verdacht, bei einer Infizierung von Schwangeren starke Schädelfehlbildungen bei deren Babys auszulösen (Mikrozephalie). Geistige Behinderungen sind meist die Folge. Allerdings kann Mikrozephalie auch andere Ursachen haben, etwa Medikamente. Normalerweise verursacht das Zika-Virus eher harmlose, grippeähnliche Symptome. Die meisten Infizierten erkranken nicht.

(dpa/ sts)

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