KV Berlin
Aufkauf von Praxen - blanke Theorie
Das Versorgungsstärkungsgesetz macht klare Vorgaben. Doch die KV Berlin hat noch keine einzige Praxis aufgekauft. Ist das Gesetz ein Bürokratiemonster?
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50 Prüfungen, aber in Berlin hat die KV noch keine Praxis aufgekauft. Die Praxen waren durchweg versorgunsrelevant, sagt die KV Berlin.
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BERLIN. Die Pflicht der Kassenärztlichen Vereinigungen zum Aufkauf von Praxen bei Überversorgung schafft Bürokratie und geht an der Versorgungswirklichkeit vorbei. Dieses Fazit zieht der Berliner KV-Hauptabteilungsleiter für Bedarfsplanung und Zulassung Wolfgang Pütz knapp ein Jahr nach dem Inkrafttreten der Bestimmung im Versorgungsstärkungsgesetz (VSG).
Bisher hat es in Berlin keinen einzigen Praxisaufkauf gegeben, obwohl in verschiedenen Facharztgruppen durchaus der kritische Versorgungsgrad von 140 Prozent überschritten wird. Das berichtet Pütz im aktuellen KV-Blatt. 15 Arztgruppen weisen in Berlin demnach einen Versorgungsgrad über 140 Prozent auf.
50 Prüfungen - kein Aufkauf
Mehr als 50 Mal hat der Zulassungsausschuss von niedergelassenen Ärzten und Krankenkassen im Rahmen von Nachbesetzungsverfahren bereits geprüft, ob eine Praxis aufgekauft werden soll. Nicht ein einziges Mal hat er dafür entschieden.
"Dabei zeigte sich, dass auch in den Planungsgruppen mit hohen und sehr hohen Versorgungraden die Schließung der Praxen schlichtweg unmöglich gewesen wäre. Hier hätten die in der jeweiligen Praxis behandelten Patienten eben nicht von den umliegenden Praxen übernommen werden können", so Pütz im KV-Blatt.
Der KV-Mitarbeiter weist auch darauf hin, dass die Prüfungen extrem aufwändig sind. Aufwändig sei schon die Prüfung des sogenannten Praxissubstrats.
Dabei wird anhand von Fallzahlen und Zeitprofilen untersucht, ob die abzugebende Praxis an der Versorgung in nennenswertem Umfang teilgenommen hat.
Berlin: Genaue Prüfung, ob Praxis versorgungsrelevant ist
Infolge des Versorgungsstärkungsgesetzes wird nun in Berlin aber noch genauer geprüft, ob eine Praxis so wichtig für die Versorgung ist, dass sie nicht geschlossen werden kann. Dazu untersucht der Zulassungsausschuss nun die Kapazitäten der übrigen Praxen in der Umgebung. Beim Nachbesetzungsverfahren für eine psychotherapeutische Praxis müssen damit Pütz zufolge mitunter 20 oder mehr umliegende Praxen auf ihre Kapazitäten geprüft werden.
"Dies bedeutet im Ergebnis, dass sich das gesamte Nachbesetzungsverfahren deutlich verzögert", so Pütz. Nachbesetzungsverfahren in Berlin für die betroffenen Arztgruppen dauern nun den Angaben zufolge mitunter ein Jahr oder länger. Bisher waren sie laut Pütz meist nach sechs bis neun Monaten abgeschlossen.
"Versorgungsrealität weit von den Annahmen des Gesetzgebers entfernt"
Das Fazit des KV-Bereichsleiters: "Offenbar hat sich die Versorgungsrealität weit von den Annahmen des Gesetzgebers und der Bedarfsplanungsrichtlinie entfernt. Um aber eben dies darzustellen, ist der Bürokratieaufwand einmal mehr gestiegen", so Pütz.
Die Versorgungsrealität in Berlin stelle sich auch wegen des hohen Anteils von Patienten aus dem Umland von bis zu 40 Prozent in manchen Arztgruppen anders dar, als das die Planungsrichtlinie und die Versorgungsgrade erwarten lassen würden.