Kassen-Clinch

BKK-Lager warnt vor Untergang des Morbi-RSA

Je nachdem, ob vier zusätzliche Zeilen ins Gesetz kommen oder nicht, sehen sich einzelne Krankenkassen in Gefahr: In der Koalition und unter den Kassen ist ein Kampf um die Deutungshoheit ausgebrochen - und um Beitragsmillionen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Dreimal Gesundheitskarte, drei Kassenarten: Auch beim Morbi-RSA zeigen die Kassen eigenes Profil.

Dreimal Gesundheitskarte, drei Kassenarten: Auch beim Morbi-RSA zeigen die Kassen eigenes Profil.

© Paul Zinken/dpa

BERLIN. Der Wahlkampf wirft seine Schatten voraus. Ausgerechnet an einem sehr trockenen Stück Gesundheitspolitik demonstrieren Union und SPD, dass sie bei gesundheitspolitischen Themen sehr wohl unterschiedlicher Meinung sein können.

Was nicht passt, wird passend gemacht. In dem alten Ruhrpott-Motto waren sich die Koalitionäre zunächst einig, in Kürze eine Korrektur am Finanzausgleich der Krankenkassen untereinander vorzunehmen.

Neue Regeln zum Ausgleich von Krankengeld und der Kosten von im Ausland versicherten Menschen im Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz (FQWG) sollen rückwirkend schon ab 2013 gelten und nicht erst ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes im August 2014.

Weil das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen darin eine Attacke auf die Planungssicherheit der Kassen sah und der AOK Rheinland/Hamburg Recht gab, die gegen die Rückwirkung geklagt hatte, hängten Union und SPD flugs ein paar dürre Zeilen an das Transplantationsregistergesetz an, das am 7. Juli im Bundestag beschlossen werden soll. Passt!

Die neue Praxis wäre vorbehaltlich des irgendwann noch zu erwartenden Spruchs des Bundessozialgerichts zumindest zunächst einmal legitimiert gewesen.

Koalitionsclinch

Inzwischen ist der Fahrplan komplett durcheinander. Die Kassen beharken sich untereinander, wobei man sich auch innerhalb der Kassenarten nicht einig ist.

Union und SPD liegen im Clinch, weil der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Professor Karl Lauterbach mit Wahlkreis in Nordrhein-Westfalen das gemeinsam erarbeitete Projekt aufgekündigt hat.

"Das Berichterstattergespräch ist an dieser Stelle gescheitert", sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Maria Michalk (CDU), der "Ärzte Zeitung".

Sie halte als Sprecherin an den ursprünglichen Änderungsanträgen fest, in denen nichts weiter steht, als dass die geplanten Änderungen am Ausgleich des Krankengeldes "ab dem Ausgleichsjahr 2013" gelten sollen.

Auslöser des Disputs waren möglicherweise Äußerungen des Chefs der AOK Rheinland/Hamburg, Günter Wältermann.

Seine Krankenkasse wäre Hauptbetroffene der geplanten rückwirkenden Änderungen. Ihr würden nachträglich 157 Millionen Euro entzogen. Ihre Existenz sei bedroht, sagte Wältermann den Abgeordneten im Gesundheitsausschuss.

Das zieht der Chef des BKK-Bundesverbands Franz Knieps in Zweifel. "Das sind unwahre Behauptungen, das Verhalten ist unlauter", sagte Knieps der "Ärzte Zeitung".

Die Kasse müsse nichts zurückzahlen. Die Beträge seien fiktiv und ohne Auswirkungen auf den Haushalt - falls die Änderungen kommen sollten.

Wältermann bleibt dabei: "Die 157 Millionen Euro sind für uns fest eingeplant und stehen uns rechtlich auch zu. Dies wurde im LSG-Urteil am 29.10.2015 bestätigt", sagte Wältermann am Montag der "Ärzte Zeitung".

TK fordert: Anträge zurücknehmen

Sollten die Änderungen jedoch nicht kommen, reklamieren die Barmer GEK und einige Betriebskrankenkassen die Existenznot für sich.

"Wenn die Änderungsanträge nicht kommen, würde die Barmer GEK 150 Millionen Euro verlieren. Das bedeutet ein Beitragszehntel mehr Beitrag. Erfahrungsgemäß verlieren wir in der Folge 60.000 Versicherte", sagte Barmer GEK-Chef Dr. Christoph Straub.

Die Techniker Krankenkasse dagegen fordert, die Anträge zurückzunehmen. Grund: Kassen bräuchten Planungssicherheit. Wenn schon eine Morbi RSA-Reform, dann doch bitte eine grundsätzliche und auch dann nicht rückwirkend.

An den Änderungsanträgen hängt möglicherweise sogar die Zukunft der Finanzarchitektur der Krankenversicherung an und für sich, was die Wahlkampftauglichkeit des Themas unter Beweis stellen würde.

"Ich hörte schon Stimmen aus dem Gesundheitswesen, die sagten: Wenn jetzt die Änderungsanträge zurückgezogen würden, wäre das der Einstieg in den Untergang des Risikostrukturausgleichs", sagte Franz Knieps.

Sollte das so sein, hätte das Thema ausreichend Gewicht, um höheren Orts entschieden zu werden - zum Beispiel im Koalitionsausschuss.

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