Auslandsschutz
BKKen im Clinch mit der Aufsicht
Über drei Millionen GKV-Versicherte haben einen privaten Auslandsschutz - über ihre Krankenkasse. Dem BVA ist das ein Dorn im Auge: Es hält die Angebote für Prämien und will sie verbieten. Eine Prozesslawine droht.
Veröffentlicht:KÖLN. Eine Reihe von Betriebskrankenkassen liegt im Clinch mit dem Bundesversicherungsamt. Bei ihnen enthält der Krankenversicherungsschutz auch eine Auslandsreise-Krankenversicherung.
Dafür kooperieren die Kassen mit privaten Krankenversicherern. Das hält das Amt für nicht rechtmäßig und hat die Kassen aufgefordert, die Praxis bis zum Ende dieses Jahres einzustellen. Das wollen sie aber nicht klaglos hinnehmen.
Zwar haben gesetzlich Versicherte theoretisch Krankenversicherungsschutz in der EU und allen Ländern, mit denen Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen hat.
Aber auch dort sind in der Regel nicht alle Leistungen erfasst, zudem erkennen viele Ärzte oder Krankenhäuser die deutsche Krankenversichertenkarte nicht an. Die Patienten müssen die Behandlungskosten vorstrecken, meist erstatten die Kassen nur einen Teil.
Deshalb ist der Abschluss einer privaten Reisekrankenversicherung sinnvoll. Sie deckt nicht nur die Behandlungskosten, sondern in der Regel auch den medizinisch notwendigen Rücktransport in die Heimat.
Keine Kosten für die Kassen
Mit dem Abschluss einer Police für ihre Versicherten wollen die Kassen ihnen zum einen einen Zusatzservice bieten, zum anderen aber auch die mit der Abrechnung von Auslandsreisen verbundenen Kosten und den Aufwand minimieren.
Außerdem umfassen die Policen meist auch den Krankenversicherungsschutz bei Dienstreisen. "Unter dem Strich kostet uns das Angebot nichts", sagt Lars Grein, Vorstand der BKK PricewaterhouseCoopers (PwC).
Die Kasse hat für alle Versicherten einen Gruppenvertrag mit der Barmenia abgeschlossen. "Der Vorwurf des BVA, bei der Kooperation mit der Barmenia würden Beiträge zweckentfremdet, stimmt nicht", sagt Grein.
Nach seinen Angaben haben zurzeit rund 3,5 Millionen gesetzlich Versicherte über ihre Kasse eine Deckung für Auslandsreisen.
Die Praxis ist dem Amt schon länger bekannt, wurde aber geduldet unter der Voraussetzung, dass die Kassen die Wirtschaftlichkeit des Vorgehens nachweisen können.
BVA: Weder vorgesehen, noch zugelassen
Damit ist jetzt Schluss - unabhängig davon, ob der Nachweis erbracht wurde oder nicht. Das BVA stuft die beitragsfinanzierte Kooperation zwischen GKV und PKV als rechtswidrig ein, da es sich um eine unzulässige Mittelverwendung handele.
"Ein solches Angebot ist weder eine gesetzlich vorgesehene noch eine vom Gesetz zumindest zugelassene Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung", teilt das BVA mit. "Solche Geschäfte dürfen die Krankenkassen weder führen noch finanzieren."
Bei einer Tagung im Juni haben die Landes- und die Bundesaufsichtsämter auch entschieden, dass das Angebot einer privaten Zusatzversicherung nicht als eine Art Prämienauszahlung der Kassen an ihre Versicherten gelten könne.
Eine solche Auszahlung kann nach Einschätzung der Behörden nur in Geldbeträgen und nicht als zusätzliche Sach- oder Dienstleistung erfolgen.
Das sieht die Rechtsanwaltsgesellschaft PwC Legal anders. Sie kommt in einem Gutachten im Auftrag der BKK PwC zu dem Ergebnis, dass die Ausschüttung einer Sach-Prämie wie der Auslandsreise-Police sehr wohl möglich ist, aber mit sehr großem bürokratischen Aufwand verbunden wäre.
Deshalb wäre das Festhalten an dem bisher praktizierten Verfahren sinnvoller - in einem ersten Gutachten hatten die Juristen bereits festgestellt, dass die Finanzierung einer Auslandsdeckung für gesetzlich Versicherte vom Gesetz gedeckt sei.
Gang vor die Gerichte
Mehrere Kassen sind deshalb entschlossen, gegen den Verpflichtungsbescheid des BVA vor den Sozialgerichten zu klagen. Dazu zählt auch die BKK E.ON, die eine Kooperation mit der Debeka abgeschlossen hat.
"Die Aufsicht macht hier etwas kaputt, was gut funktioniert", ärgert sich Vorstand Joachim Wolf.
Das Vorgehen des BVA sei umso weniger verständlich, als jeder wisse, dass das Sozialversicherungsabkommen nach dem Sachleistungsprinzip nur in wenigen Ländern funktioniere, sagt Wolf.
Auch die Securvita Krankenkasse will die Entscheidung der Aufsicht nicht auf sich beruhen lassen. "Das Verbot des BVA ist aberwitzig", sagt der Verwaltungsratsvorsitzende Thomas Martens.
"Die Securvita wird juristisch dagegen vorgehen." Es sei nicht nachvollziehbar, warum eine Regelung verboten werden solle, die allen Beteiligten nur Vorteile bringt.
"Für die Versicherten ist sie attraktiv, unbürokratisch und bringt einen besseren Versicherungsschutz. Und die Krankenkassen sparen dadurch Geld", betont Martens.