Beamte in die PKV

Ist das Hamburger Modell verfassungswidrig?

Der PKV-Verband schießt mit einem Gutachten scharf gegen Pläne Baden-Württembergs, seinen Beamten bei der Krankenversicherung Wahlfreiheit zu gewähren. Dabei geht es nicht mal nur um die Bürgerversicherung.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Baden-Württembergs Beamte sollen bei Krankenversicherung Wahlfreiheit bekommen – also auch in die GKV gehen können. Das ist der PKV ein Dorn im Auge.

Baden-Württembergs Beamte sollen bei Krankenversicherung Wahlfreiheit bekommen – also auch in die GKV gehen können. Das ist der PKV ein Dorn im Auge.

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Köln. Das Land Baden-Württemberg läuft Gefahr, mit der Einführung einer pauschalen Beihilfe in der Krankenversicherung für Beamte gegen die Verfassung zu verstoßen.

Zu diesem Ergebnis kommen Rechtsanwälte der Kanzlei Redeker Sellner Dahs aus Bonn in einem Gutachten im Auftrag des Verbands der privaten Krankenversicherung (PKV). Das Vorhaben stößt nach ihrer Analyse auf „gravierende verfassungsrechtliche Bedenken“.

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Die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg will zum 1. Januar 2023 das Hamburger Modell einführen. Beamtinnen und Beamte würden dann bei einer Absicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vom Dienstherrn einen 50-prozentigen Zuschuss zu den Beiträgen erhalten. Das Konzept ist Mitte 2018 erstmals in Hamburg eingeführt und inzwischen von Berlin, Brandenburg, Bremen und Thüringen übernommen worden.

Die PKV war das Hamburger Modell von Anfang an ein Dorn im Auge. Zum einen verliert die Branche dadurch Kunden aus ihrer Hauptzielgruppe, zum anderen sieht sie in der pauschalen Beihilfe einen Schritt in Richtung Bürgerversicherung.

Anwälte: Dienstherr muss Pflichten selbst wahrnehmen!

Das aktuelle Gutachten der Rechtsanwälte Dr. Ulrich Karpenstein, Dr. Matthias Kottmann und Dr. Daniel Krebühl liefert der Branche jetzt neue Argumente. „Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehört es, dass der Dienstherr seine Pflicht zur Alimentation und Fürsorge gegenüber den Beamten selbst erfüllen muss“, schreiben sie. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfe er diese Aufgabe nicht an Dritte delegieren, deren Leistungsumfang er nicht bestimmen könne.

Zu einer Verletzung der Fürsorgepflicht könnte es laut dem Gutachten kommen, wenn das GKV-Leistungsniveau sinkt. Anders als die GKV sehe die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht keine Wirtschaftlichkeitserwägungen vor, der Dienstherr müsse den angemessenen Lebensunterhalt auch im Krankheitsfall sicherstellen. „So kann die Fürsorgepflicht den Dienstherrn im Einzelfall auch verpflichten, Behandlungen zu finanzieren, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übernommen würden“, führen die Juristen aus.

Gefahr der „Unteralimentierung“

Nach dem Alimentationsprinzip müsse die Besoldung so ausgestaltet sein, dass sie auch die Kosten der Krankenversicherung für die Beamten und ihre Familien abdeckt. Da der Dienstherr weder den Leistungsumfang noch die Beitragshöhe in der GKV bestimmen könne, bestehe die Gefahr einer „verfassungswidrigen Unteralimentierung“.

Kritisch sehen Karpenstein, Kottmann und Krebühl auch die Tatsache, dass die Entscheidung für die pauschale Beihilfe unwiderruflich sein soll. Damit werde die Vorsorgefreiheit der Beamten beschränkt.

Die PKV verweist darauf, dass die pauschale Beihilfe nicht nur gegen die Verfassung verstößt, sondern auch mit hohen Kosten verbunden sei. „Die pauschale Beihilfe ist auf viele Jahrzehnte hinaus viel teurer als das geltende Recht, weil dann vom ersten Tag an für den Beamten der volle GKV-Arbeitgeberzuschuss gezahlt werden muss, während die Beihilfe nur im konkreten Krankheitsfall gezahlt wird – was in den aktiven Jahren der Beamten deutlich weniger kostet als ein GKV-Arbeitgeberbeitrag“, sagt der Vorsitzende des PKV-Verbands Dr. Ralf Kantak der Ärzte Zeitung.

PKV: Auch der Steuerzahler müsste bluten

Nach Angaben des PKV-Verbands müsste ein durchschnittlich verdienender Beamter in der GKV ebenso wie sein Dienstherr pro Monat rund 258 Euro zahlen, bei einem Einkommen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze von 58.050 Euro im Jahr läge der Beitrag jeweils bei 384 Euro. Bei den Beamtentarifen in der PKV betrage der Durchschnittsbeitrag rund 211 Euro.

Auch den Steuerzahler komme das Hamburger Modell teuer. Kantak verweist auf Prognosen des Landesfinanzministeriums in Baden-Württemberg, nach denen die pauschale Beihilfe in dieser Legislaturperiode bis 2026 über 76 Millionen Euro kosten würde, bis 2030 über 200 Millionen Euro. „Dieses Geld würde im Landeshaushalt dann für andere Aufgaben und Leistungen zum Beispiel in der Bildung oder der Polizei fehlen.“

Den großen Run auf die pauschale Beihilfe braucht die Branche seiner Einschätzung nach aber nicht zu fürchten. „Wie die große Mehrheit der Beamtinnen und Beamten diese nachteiligen Effekte einschätzt, zeigt sich in den Ländern mit pauschaler Beihilfe“, sagt Kantak. „Sechs von sieben Neubeamten entscheiden sich weiterhin für die bewährte Kombination von Beihilfe und PKV.“

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