Prognos-Auswertung
Jedes zweite Krebsregister krebst herum
Der Aufbau klinischer Krebsregister wurde vor sieben Jahren beschlossen – doch mehrere Bundesländer bleiben weit hinter dem Plan zurück. 10 der 18 Register liefern teils Datensalat.
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Darstellung einer eingescannten Probe eines Stück Gewebes aus dem Dickdarm. Die Meldung von Neuerkrankungen erfolgt in einigen Bundesländern immer noch nicht vollständig.
© Bernd von Jutrczenka / dpa
Berlin. Der GKV-Spitzenverband hat eine kritische Bilanz der bisherigen Aufbauarbeit bei klinischen Krebsregistern gezogen. Hintergrund ist eine Bestandsaufnahme des Beratungsunternehmens Prognos, das den Status quo der Register in allen Bundesländern zum 31. Dezember 2019 erhoben hat.
Die Ergebnisse fallen sehr heterogen aus: Zum Stichtag haben nur die klinischen Register in Baden-Württemberg, Bremen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland alle geforderten 43 Förderkriterien erfüllt. Ende des Jahres würden voraussichtlich nur acht der insgesamt 18 klinischen Register allen notwendigen Kriterien nachkommen können, heißt es.
Kassen dürfen nicht zahlen, wenn die Latte gerissen wird
Diese Kriterien beschreiben die Grundausstattung für den Betrieb eines klinischen Krebsregisters, definieren den Betrieb beispielsweise im Hinblick auf Datenverarbeitung und -austausch, beschreiben den geforderten Output im Sinne der Datenqualität und der Anforderungen an die Datenauswertung und beschreiben übergeordnete Anforderungen des Registers etwa in Bezug auf Eigenständigkeit und Unabhängigkeit des Registers.
Die Erfüllung der Kriterien sind die gesetzliche Voraussetzung, damit die Krankenkassen überhaupt regelhaft die Arbeit der Register finanzieren dürfen. Dabei fördern die Kassen den Registerbetrieb, in dem sie einmalig für jede verarbeitete Meldung zur Neuerkrankung eine Förderpauschale an das jeweilige Krebsregister sowie eine Meldevergütung für die meldenden Ärzte an das Register erstatten.
Nach dem Krebsfrüherkennungs- und Krebsregistergesetz (KFRG) aus dem Jahr 2013 sollte der Aufbau der Register in den Bundesländern Ende 2017 eigentlich abgeschlossen sein. Als sich abzeichnete, dass der Zeitplan nicht zu halten, wurde mit dem Terminservicegesetz (TSVG) eine Nachbesserungsfrist bis Ende dieses Jahres festgeschrieben.
In einigen Ländern ist der Trend negativ
Die seit 2017 zum dritten Mal erfolgte Auswertung durch Prognos lässt sehr unterschiedliche Trends erkennen. In Bundesländern wie etwa Bayern, Nordrhein-Westfalen oder Thüringen, deren Register noch nicht alle 43 Kriterien erfüllen, ist ein Aufwärtstrend zu erkennen: Bayern kommt Ende vergangenen Jahres 41 Kriterien nach (2018: 34), in NRW sind es 39 (2018: 35), in Thüringen nunmehr 34 (2018: 30).
Anders in Bundesländern wie Brandenburg-Berlin oder Mecklenburg-Vorpommern. Dort sinkt im Zeitverlauf sogar die Zahl der erfüllten Kriterien, im Nordosten von 31 (2018) auf 29 im vergangenen Jahr (siehe nachfolgende Grafik).
Die Probleme – nicht nur dort – sind vielfältig. Mal werden nach wie vor Daten zu Neuerkrankungen nicht vollständig an die Krebsregister gemeldet. Oder es fehlen wichtige Angaben in den Meldebögen. Selbst Basisdaten wie die lebenslange Krankenversichertennummer der GKV-Versicherten konnten im vergangenen Jahr nur 16 der 18 Register liefern.
Engpässe, die auf ganz Ostdeutschland ausstrahlen, konstatiert Prognos bei der Erhebung und Verarbeitung von Informationen aus Todesbescheinigungen. Das epidemiologische Krebsregister aller ostdeutschen Ländern inklusive Berlin stelle den klinischen Registern nicht alle erforderlichen Daten zur Verfügung, sodass die Datenqualität aller ostdeutschen Krebsregister betroffen ist.
Onkologen halten Registerdaten nur für partiell verwendbar
Auch sieben Jahre nach dem Gesetzesbeschluss hätten es viele Bundesländer immer noch nicht geschafft, voll arbeitsfähige klinische Krebsregister zu etablieren, resümiert Dr. Doris Pfeiffer, Vorsitzende des GKV-Spitzenverbands. Einige Länder stünden vor der Aufgabe, die bevölkerungsbezogenen Register arbeitsfähig zu machen, „damit die klinischen Krebsregister dort überhaupt funktionieren können“, so Pfeiffer.
Die Folgen dieser Mängel sind gravierend, konstatierten im Februar Wissenschaftler beim diesjährigen Deutschen Krebskongress in Berlin. Eigentlich sollen die Daten Aufschluss über die Versorgung von Krebspatienten geben und zur Weiterentwicklung der Krebstherapie beitragen.
Doch bislang seien die Daten aus den Registern allenfalls teilweise für Forschungsfragen verwendbar, hieß es beim Krebskongress.