Ethikrat

Beschneidung soll erlaubt sein - unter Vorbehalt

Nach einer kontroversen Debatte hat sich der Nationale Ethikrat doch auf eine Kompromisslinie geeinigt: Religiöse Beschneidungen von Jungen sollen in Deutschland erlaubt sein - aber nur unter gewissen Bedingungen.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:
Eine fachgerechte Durchführung der religiösen Beschneidungen von Jungen müsse gewährleistet sein, betont der Nationale Ethikrat.

Eine fachgerechte Durchführung der religiösen Beschneidungen von Jungen müsse gewährleistet sein, betont der Nationale Ethikrat.

© Mohamed Messara / epa / dpa

BERLIN. Die Beschneidung eines Neugeborenen ist Körperverletzung. Mit diesem Urteil vom 7. Mai dieses Jahres hat das Landgericht Köln eine hitzige und emotionale Debatte angestoßen. Nicht weniger kontrovers als die gesellschaftliche Diskussion verlief am Donnerstag die Debatte im Ethikrat.

Im Großen und Ganzen waren sich die Wissenschaftler über die Anforderungen an ein Gesetz zur Beschneidung einig. Ein explizites Verbot der Beschneidung lehnten sie ab.

Mehrere Ratsmitglieder verwiesen darauf, dass die gesundheitlichen Risiken höchstwahrscheinlich steigen, wenn der Eingriff in die Illegalität oder ins Ausland verdrängt wird. "Nichts darf dazu führen, dass die Risiken sich noch erhöhen", so der ehemalige Ratsvorsitzende Professor Eckhard Nagel.

Aufklärung und Einwilligung der Eltern, fachgerechte Durchführung und Schmerzbekämpfung – unter diesen vier Bedingungen will der Ethikrat religiöse Beschneidungen erlauben. Trotz dieser pragmatischen Einigung blieben grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten bestehen.

Wichtiger Ritus mit essenzieller Bedeutung

Die Debatte im Ethikrat spiegelte die gesamte Breite des gesellschaftlichen Meinungsspektrums. Der jüdische Mediziner Professor Leo Latasch wies auf die essenzielle Bedeutung der Beschneidung im Judentum hin.

Professor Ilhan Ilkilic schilderte, wie wichtig der Ritus für die Religionsausübung der Muslime in Deutschland sei.

Kontroverse Meinungen auch unter den Juristen

Auch juristisch herrscht Meinungsvielfalt. Vor allem der Strafrechtler und Rechtsphilosoph Professor Reinhard Merkel vertrat eine Auffassung, die der Meinung vieler anderer Ratsmitglieder entgegenzustehen scheint. "Die frühkindliche Knabenbeschneidung ist rechtswidrig", sagte Merkel.

Das Kölner Urteil sei vor dem Hintergrund geltenden Rechts folgerichtig. Merkel argumentiert vor allem mit dem Recht des Kindes auf Schutz vor Gewalt. Das stehe dem Recht auf freie Religionsausübung entgegen.

Der Verfassungsrechtler Professor Wolfgang Höfling vertrat dagegen die Auffassung: "Die Zirkumzision ist vom elterlichen Erziehungsrecht gedeckt." Er äußerte Unverständnis darüber, dass das Landgericht Köln keine Revision zugelassen hat.

Ärzte vermissen evidenzbasierte Daten

Die Medizin bietet ebenfalls ein buntes Spektrum von Meinungen über die Beschneidung und ihre Folgen. "Die Einen reden von schweren Traumata, die Anderen von schweren Nebenwirkungen, die Dritten von medizinischen Vorteilen und Public-Health-Empfehlungen", so der Sozialethiker und Theologe Professor Peter Dabrock. Es sei misslich, dass alle vorgelegten Daten von Interessen geleitet seien.

Latasch verwies unter anderem auf die Vorteile einer Beschneidung für die Infektionsprävention, die auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erwähnt. Dagegen warnte der Jurist Merkel unter Bezug auf eine US-Studie über Todesfälle im Zusammenhang mit Beschneidungen davor, die Folgen des Eingriffs zu unterschätzen.

Die Vorsitzende des Ethikrates, die Ärztin Professor Christiane Woopen plädierte dafür, dass der Ethikrat jetzt Rahmenanforderungen für weitere Forschungen entwickelt. "Eine solche Datenlage würden wir in anderen Bereichen nie akzeptieren", sagte sie am Rande der Sitzung in Berlin zur "Ärzte Zeitung".

Es gebe Hinweise darauf, dass schwere Folgen eintreten könnten, aber bei den bisherigen Studien sei überhaupt nichts über die Umstände der Beschneidungen bekannt, auch nicht, wer sie vorgenommen hat, so Woopen. Ihre Forderung wurde von weiteren Medizinern im Nationalen Ethikrat ausdrücklich unterstützt.

Der Bundestag hat ein Gesetz zur Klarstellung der rechtlichen Bewertung der Beschneidung mit einem Entschließungsantrag vom Juni schon für den Herbst gefordert. Das Justizministerium teilte bereits am 22. August mit, dass es mit Hochdruck daran arbeite.

Latasch zeigte sich optimistisch. "Ich denke, hier wird ein Entwurf auf den Tisch kommen, der für alle akzeptabel ist", sagte Latasch bei der öffentlichen Debatte des Ethikrates.

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