Babynahrung und Zahnpasta
Britische Hausärzte registrieren wachsende Armut ihrer Patienten
Immer häufiger verordnen Hausärzte in Großbritannien Dinge des täglichen Lebens, weil Patienten sich diese nicht mehr leisten können.
Veröffentlicht:London. Die Armut in Großbritannien nimmt zu und britische Hausärzte und -ärztinnen bekommen dies inzwischen täglich in ihren Sprechstunden zu spüren. Wie aus aktuellen Zahlen hervor geht, verschreiben britische Primärärztinnen und -ärzte immer häufiger Dinge wie Multivitaminpräparate, Babynahrung und sogar Zahnpasta, weil sich viele arme Patientinnen und Patienten diese Produkte nicht mehr leisten können.
Die Regeln im staatlichen britischen Gesundheitsdienst (National Health Service, NHS) besagen zwar, dass OTC-Produkte und Produkte des täglichen Gebrauchs nicht ärztlich verordnet werden sollen. Allerdings bleibt es den Ärztinnen und Ärzten überlassen, ob sie sich an diese Regeln halten. Viele Medizinerinnen und Mediziner brechen angesichts immer mehr armer Patienten in ihren Praxen diese Regel inzwischen regelmäßig.
Medien sprechen von „nationaler Schande“
Laut Royal College of General Practitioners (RCGP) verordnen täglich tausende Primärärzte zum Beispiel Babynahrung für sozialschwache Patienten. Die Zahl der Rezepte für Babynahrung stieg in den vergangenen zwei Jahren um rund 80 Prozent. Bei hausärztlichen Rezepten für Multivitaminpräparate gab es einen Anstieg um 16 Prozent und bei Zahnpasta und Shampoo um vier Prozent.
Gesundheitspolitische Beobachter in London sehen einen direkten Zusammenhang zwischen den wachsenden sozialen Ungleichheiten in der britischen Gesellschaft und den Verschreibungspraktiken der staatlichen Hausärzte. Britische Medien empören sich über „diese nationale Schande“ und „ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft“.
Ein Sprecher des Londoner Gesundheitsministeriums wollte die Zahlen gegenüber der Ärzte Zeitung zwar nicht im Detail kommentieren, sagte aber: „Hausärztinnen und -ärzte sind sich sehr wohl bewusst, wie viel NHS-Rezepte den Steuerzahler jährlich kosten“. Dennoch sei es die Sache der Primärärzte im Einzelfall und unter Berücksichtigung aller Faktoren zu entscheiden, welche Rezepte ausgestellt würden. (ast)