Reformvorschläge für ambulanten Sektor

Bundesrats-Ausschüsse: Freie Fahrt für Primärversorgungszentren

Gesundheitskioske, Primärversorgungszentren, Weiterbildungsförderung, MVZ: Die Fachausschüsse in der Länderkammer wollen das Versorgungsgesetz mit weiteren Instrumenten ausstatten.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Blick auf den Bundesrat

Ab kommenden Freitag wird der Bundesrat über die Empfehlungen seiner Fachausschüsse für das Gesundheitsversorgungsgesetz abstimmen.

© Wolfgang Kumm/picture alliance

Berlin. Die Ausschüsse des Bundesrats plädieren für eine weitreichende Überarbeitung des geplanten Gesundheitsversorgungsstärkungs-Gesetzes (GVSG). Mehrere Regelungen, die in früheren Entwürfen des GVSG enthalten waren, sollten nach Ansicht der Ausschüsse des Bundesrates wieder reaktiviert werden, so etwa Paragraf 65g zu den Gesundheitskiosken und Primärversorgungszentren nach Paragraf 73a SGB V. Das geht aus der Stellungnahme der Ausschüsse hervor, über die der Bundesrat in seiner Sitzung am 5. Juli abstimmen wird.

Zur Begründung argumentieren die Länder weitestgehend identisch wie das Bundesgesundheitsministerium in den ersten Entwürfen zum GVSG. Nur empfehlen die Ausschüsse eine veränderte Kostenaufteilung für den Kiosk: 50 Prozent sollen demnach die gesetzlichen Krankenkassen tragen, 44,5 Prozent die jeweiligen Kreise oder Städte. Die verbleibenden 5,5 Prozent der Kosten sollen von der PKV aufgebracht werden.

Kommunen sollten bei Kiosken stärker zur Kasse gebeten werden

Das BMG hingegen hatte ursprünglich einen Kostenanteil in Höhe von 74,5 Prozent für die GKV vorgesehen. Ein Fünftel des Gesamtbetrags sollte von den Kommunen aufgebracht werden. Unverändert soll das Initiativrecht für einen Gesundheitskiosk bei den Kommunen liegen. Um die Vertragsverhandlungen mit den Kassen zu erleichtern, soll das BMG via Rechtsverordnung einen Mustervertrag entwickeln.

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Primärversorgungszentren sollen ohne die restriktiven Vorgaben etabliert werden können, die noch in den BMG-Entwürfen enthalten waren. So sollen diese Einrichtungen nach Ansicht der Länder-Ausschüsse lediglich über mindestens einen vollen hausärztlichen Versorgungsauftrag verfügen. Auch soll es keine Beschränkung auf unterversorgte oder von Unterversorgung bedrohte Gebiete geben. Die Möglichkeit, ein solches Zentrum zu errichten, sollen nach Ansicht der Ausschüsse folgende Akteure haben: Vertragsärzte, Berufsausübungsgemeinschaften, MVZ, anerkannte Praxisnetze, Kommunen oder gemeinnützige Träger, die aufgrund von Zulassung oder Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. In einer Kooperationsvereinbarung mit der Kommune soll geregelt werden, wie kommunale Dienste – etwa des Gesundheitsamtes, sozialer Dienste oder des Jugendamtes – in die Arbeit es Primärversorgungszentrums integriert werden. KBV und GKV-Spitzenverband haben die Aufgabe, das gesetzgeberische Konzept zu konkretisieren und Einzelheiten zu regeln.

Konzept der Gesundheitsregion soll wiederbelebt werden

Auch die Gesundheitsregionen, die im Zuge der Ressortabstimmungen aus dem Gesetzentwurf gekippt wurden, wollen die Länder-Ausschüsse wiederbeleben. Gesundheitsregionen seien ein „wirkungsvoller und innovativer Ansatz, die kommunale Gesundheitsversorgung nachhaltig zu stärken“. Diese Regionen könnten zum „zentralen Element“ einer sektorenübergreifenden gesundheitlichen Versorgungslandschaft werden, heißt es zur Begründung.

Weitere Empfehlungen der Ausschüsse:

Weiterbildungsförderung in der Kinder- und Jugendmedizin: Bisher ist die Weiterbildungsförderung in der Kinder- und Jugendmedizin auf 250 Stellen limitiert. Diese Vorgabe wollen die Länder entdeckeln und somit die Höchstzahl an Förderstellen streichen – vergleichbar der geltenden Regelung für die Weiterbildungsförderung in der Allgemeinmedizin.

Entbudgetierung für Hausärzte: Die Länder-Ausschüsse warnen, durch die bisher vorgesehene Rechtskonstruktion werde bestehenden Regelungen beispielsweise zur Finanzierung von Fördermaßnahmen bei der Sicherstellung „die Finanzierungsgrundlage entzogen“. Betroffen davon sei auch der Strukturfonds, durch den die Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin, Sicherstellungszuschläge und Investitionskostenzuschüsse für drohend unterversorgte Regionen finanziert werden. Wörtlich heißt es: „Eine Honorarquote, die lediglich die Auszahlung an die Hausärzte für die Aufteilung der zukünftigen Gesamtvergütung beinhaltet, negiert diese hoheitlichen Finanzierungsaufgaben der Haus- und Fachärzte und verschiebt diese in den verbleibenden und weiterhin budgetierten fachärztlichen Vergütungsbereich.“

Gründungsberechtigung von MVZ für KVen: Kassenärztliche Vereinigungen sollen innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs das Recht erhalten, selbstständig ein MVZ zu gründen und zu betreiben. Bedarfsplanerisch wird das auf das Ziel eingegrenzt, insbesondere bestehende haus- und kinderärztliche Vertragsarztsitze in unterversorgten (Teil-)Bereichen bei einer Praxisaufgabe. Damit würden die KVen den gleichgestellt, heißt es.

Mehr Mittel für den Strukturfonds: Bisher müssen KVen mindestens 0,1 Prozent und höchstens 0,2 Prozent der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung im Rahmen des Strukturfonds bereitstellen – Gleiches gilt für die Kassen. Mittel aus diesem Topf werden beispielsweise Zuschüsse für Investitionskosten bei der Neuniederlassung und bei Praxisübernahmen finanziert oder auch die Förderung von Eigeneinrichtungen. Die Länder-Ausschüsse plädieren dafür, den bisherigen Anteil zu verdoppeln, also auf mindestens 0,2 und höchstens 0,4 Prozent. Im Jahr 2022 habe es bundesweit in 31 Planungsbereichen eine überwiegend hausärztliche Unterversorgung gegeben sowie in 131 Planungsbereichen eine drohende Unterversorgung – wiederum überwiegend bei Hausärzten.

Höhere Bagatellgrenze bei Abrechnungsprüfungen: Bei der Abrechnungsprüfung nach Paragraf 106d Absatz 4 Satz 1 SGB V gilt bisher je Betriebsstättennummer, Quartal und Krankenkasse eine Bagatellgrenze von 30 Euro. Die Ausschüsse schlagen vor, diese Grenze auf 100 Euro zu erhöhen. Das könne einen „wichtigen Beitrag zur Entbürokratisierung“ leisten.

Regelungen für investorengetragene MVZ: Vergrätzt zeigt sich der Gesundheitsausschuss des Bundesrats, dass der Entwurf des GVSG keine Regelungen für investorengetragene MVZ enthält. Das BMG habe im Vorfeld „in Aussicht gestellt“, die rechtlichen Rahmenbedingungen „weiterzuentwickeln“. Der vor rund einem Jahr im Bundesrat konsentierte Antrag sieht ein ganzes Maßnahmenbündel vor: Von der „Schilderpflicht“ für MVZ über die räumliche Beschränkung der Gründungsbefugnis bis hin zur Begrenzung von Versorgungsanteilen für entsprechende MVZ. Aufgrund der „Dringlichkeit“ in der Sache sollten entsprechende Vorgaben in das GVSG aufgenommen werden.

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