Digitale Versorgung
Bundestag entscheidet über Gesundheits-Apps auf Rezept
Die Koalition will Tempo machen, damit das Gesundheitswesen digitaler wird – und heute das „Digitale-Versorgung-Gesetz“ verabschieden. BÄK-Chef Reinhardt mahnt sensible Punkte im Gesetzestext an.
Veröffentlicht:Berlin. Die Abgeordneten des Bundestags wollen an diesem Donnerstag (7. November) unter anderem drei neue Gesetze aus dem Bereich der Gesundheitspolitik beschließen:
- das „Digitale-Versorgung-Gesetz“ (DVG) zur Stärkung der Digitalisierung des Gesundheitswesens.
- das „Angehörigen-Entlastungsgesetz“, Der Entwurf sieht vor, dass erwachsene Kinder künftig erst ab einem Jahreseinkommen von 100.000 Euro brutto Unterhaltszahlungen leisten müssen, wenn ihre Eltern im Alter nicht mehr allein für die Kosten der Pflege aufkommen können.
- das „MDK-Reformgesetz“, das unter anderem eine Neuorganisation der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung vorsieht. Bis kurz vor Schluss wurde eifrig am Entwurf gearbeitet: 57 Änderungsanträge waren auf den letzten Drücker eingegangen.
Ärzte sollen Gesundheits-Apps verschreiben
Für die Ärzteschaft besonders wichtig sind die Neuerungen, die das DVG mit sich bringen. Ärzte sollen künftig Patienten Gesundheits-Apps auf GKV-Kosten verschreiben können. Dabei geht es etwa um Anwendungen, die beim regelmäßigen Einnehmen von Medikamenten helfen.
Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), hat indes angeraten, behutsam bei neuen digitalen Angeboten für Patienten vorzugehen. „Es haben nicht alle Menschen in dieser Gesellschaft die gleiche Vertrautheit mit neuen Technologien, zum Beispiel auch wegen ihres Alters“, sagte er der dpa. „Wenn wir zu stark und zu schnell auf digitale Unterstützung abstellen, darf man die Menschen nicht vergessen, die damit vielleicht nicht umgehen können“, warnte der BÄK-Chef. Sonst könne es zu „einer Art Zwei-Klassen-Versorgung“ kommen.
„Es gibt viel Schnickschnack“
Reinhardt betonte, es werde angesichts der großen Menge an Angeboten nicht ganz einfach zu unterscheiden sein, welche Apps wirklich der Versorgung dienen. „Es gibt digitale Gesundheitsanwendungen, die sehr sinnvoll und hilfreich sind. Es gibt aber auch viel Schnickschnack, der keinen Mehrwert für Patienten und Ärzte bringt.“ Damit Ärzte digitale Anwendungen verschreiben könnten, sollte vorher sichergestellt sein, dass sie keinen Schaden anrichten.
„Digitalisierung in der Medizin bedeutet auch eine Vertrauensfrage. Vertraue ich einer technisch hergestellten Lösung eines Problems?“, fragte Reinhardt. Zwischen Menschen gebe es ja noch andere Wahrnehmungsinstrumente wie Sympathie oder Einfühlungsvermögen, durch die Vertrauen entstehe. „Auch Datenschutz und sichere Datenverarbeitung haben mit Vertrauen zu tun“, so der BÄK-Chef.
Freiwillige Daten-Spende wäre besser
Mit Blick auf eine geplante stärkere Datennutzung für die Forschung sagte Reinhardt: „Der medizinische Fortschritt sollte schon befördert werden, dazu werden auch Gesundheitsdaten gebraucht.“
Er finde es aber problematisch, eine Datenübermittlung einfach per Gesetz festzulegen. „Es wäre klüger, die Menschen freiwillig zu motivieren und sie zu fragen, ob sie nicht ganz bewusst eine Datenspende vornehmen wollen, um so eine bessere Forschung zu ermöglichen.“
Eine gesellschaftliche Meinungsbildung, wie der ethische Konflikt zwischen Wissenschaftsfreiheit und dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung neu auszutarieren sei, habe bis jetzt noch nicht stattgefunden. Dies könne nicht durch ein Gesetzgebungsverfahren ersetzt werden, sagte Reinhardt.
Spahn weist Vorwürfe zurück
Nicht nur der BÄK-Präsident, sondern auch Grüne und Patientenschützer kritisierten die Sammlung von Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken.. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wies die Vorwürfe zurück.
Es gehe darum, Gesundheitsforschung möglich zu machen, und für Patienten mit chronischen Erkrankungen zu besseren Erkenntnissen zu kommen, sagte der CDU-Politiker am Donnerstag im ZDF-„Morgenmagazin“: „Es geht nicht um Behandlungsdaten, sondern um Abrechnungsdaten.“
Das seien Daten, die ohnehin genutzt werden. Gesundheitsforschung solle möglich gemacht werden, um zu besseren Erkenntnissen zu kommen.
Konkret sollen die Kassen Daten jedes Versicherten unter anderem zu Alter, Geschlecht, Wohnort und Behandlungen an den GKV-Spitzenverband übermitteln, der sie zu Forschungszwecken weiterleitet. Vorgesehen sind Regeln zur Pseudonymisierung der Daten - also den Bezug zur realen Person zu verschleiern.
Große Sorgfalt beim Daten-Umgang angemahnt
BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt rief die Ärzte dazu auf, Patienten zu großer Sorgfalt beim Umgang mit ihren digitalen Daten zu sensibilisieren. „Das Arztgeheimnis hat einen großen Stellenwert und darf in überhaupt keiner Weise berührt werden. Insofern gibt es Daten oder Erkenntnisse, die man dezidiert einer solchen Weiterverarbeitung vorenthalten muss.“
Die Gewerkschaft Verdi warnte vor einem Zusammenführen der Sozialdaten von Millionen Kassenpatienten. Der Vorsitzende Frank Werneke sagte: „Die ungefragte Sammlung und Auswertung derartiger Daten ist ein schwerwiegender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Versicherten.“ (dpa/ths)
Dieser Beitrag wurde aktualisiert am 07.11.2019 um 10:53 Uhr.