Sorge um Überlastung in Krankenhäusern

Corona-Positionspapier: Marburger Bund kritisiert KBV scharf

MB-Chefin Johna warnt vor einer Überlastung der Krankenhäuser und zieht gegen die Positionen der KBV vom Leder. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der MB steuern derweil auf einen Konflikt zu.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
MB-Chefin Dr. Susanne Johna

Corona präventiv bekämpfen: Es sei makaber, angesichts drastisch steigender Infektionszahlen gegen eine vermeintliche Verbotspolitik zu polemisieren, mahnte MB-Chefin Dr. Susanne Johna.

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Berlin. Der Marburger Bund (MB) hat sich hinter die Politik des Eindämmens der Infektionszahlen gestellt. „Wir wissen, dass etwa sechs bis acht Prozent der COVID-19-Patienten ins Krankenhaus kommen, und davon wieder ein Teil auf die Intensivstation“, sagte die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft, Dr. Susanne Johna, am Donnerstag bei einer Pressekonferenz.

Es sei deshalb falsch und makaber, angesichts drastisch steigender Infektionszahlen gegen eine vermeintliche Verbotspolitik zu polemisieren und den Eindruck zu erwecken, dass „ein bisschen Kontrollverlust“ gar nicht weiter schlimm sei. Tatsächlich seien auch Menschen ohne oder mit nur geringen Symptomen krank, so Johna.

Sie hätte sich daher gewünscht, dass die Kollegen, die an dem KBV-Positionspapier mitgewirkt haben, im Rückgang der Fallzahlen auch ärztlich eine dringende Aufgabe gesehen hätten. „Wir als Ärzte sind dafür verantwortlich, Gesundheit zu erhalten und auch präventiv tätig zu sein“, sagte Johna.

Keine „Vollbremsung“, aber „kontrollierte Verlangsamung“

Die KBV und zahlreiche Ärzteverbände hatten Ende Oktober gemeinsam mit den bekannten Virologen Professor Hendrik Streeck und Professor Jonas Schmidt-Chanasit die These vertreten, der Rückgang der Fallzahlen sei zwar „eine politisch dringend gebotene Aufgabe, aber nicht um jeden Preis.

Keine „Vollbremsung“ des normalen Krankenhausbetriebes wie im Frühjahr, aber eine „kontrollierte Verlangsamung“ hat MB-Vize Dr. Andreas Botzlar gefordert. Statt über verlängerte Arbeitszeiten nachzudenken, sollte das Personal häufiger wechseln, um den Belastungsdruck zu verringern.

Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft fordert, die Regelversorgung schrittweise wieder herunterzufahren und zusätzlich die im September ausgelaufenen Instrumente des Rettungsschirms für das ganze Jahr 2021 wieder in Kraft zu setzen.

Streit um die Untergrenzen

In der Frage flexiblen Personaleinsatzes laufen MB und DKG jedoch auf einen Konflikt zu. Pflegepersonaluntergrenzen und Pflegepersonaleinsatzvorgaben, die nicht für eine Pandemiezeit geschaffen seien, müssten ausgesetzt werden, fordern die Arbeitgeber von Gesundheitsminister Jens Spahn, der verschärfte Intensivbesetzungsquoten in Kraft setzen will. Es dürfe keine künstliche Verknappung von Arbeitskraft geben.

Die Ärztegewerkschaft hält dagegen: Im Frühjahr habe man erlebt, dass mit dem Herunterfahren der Regelversorgung Ärzte und Pflegepersonal nach Hause geschickt worden sei, um Kosten zu sparen. „Das sind Auswüchse im Schatten der Pandemie, die wir nicht tolerieren können“, sagte der MB-Vize. Besser wäre es gewesen, dieses Personal für Einsätze auch auf Intensivstationen zu schulen. Untergrenzen für die Krisenzeit auszusetzen ergebe auch deshalb keinen Sinn, weil das Wort schon nahelege, dass diese Grenzen nicht unterschritten werden sollten.

137. Marburger Bund Hauptversammlung

  • 222 Delegierte aus 14 MB-Landesverbänden werden am Freitag und Samstag erstmals voll digital konferieren.
  • Themen sind unter anderen die ärztliche Tätigkeit in Zeiten von COVID-19, die Weiterbildung, die Tarifpolitik, das klimafreundliche Krankenhaus und die strategische Vorbereitung der Wahlen zu den KV-Vertreterversammlungen.
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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 06.11.202007:22 Uhr

Die Fakten

Die Bundesärztekammer (BÄK) steht hinter den aktuellen Bund-Länder-Beschlüssen der Politik. Sie sieht darin eine "wichtige Notbremse" in der aktuellen Corona-Situation und widerspricht, ebenso wie der Marburger Bund (MB), dem Positionspapier der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). BÄK-Vorsitzender Dr. med. Klaus Reinhardt hatte sich im ZDF bei Markus Lanz mit irritierenden Masken-Aussagen blamiert und musste am Folgetag zurückrudern, um wieder in die gesundheits- und krankheitspolitische Spur zu finden.

Doch was hatte die KBV im Gefolge von Prof. Dr. med. Hendrik Streeck und Jonas Schmidt-Chanasit denn anzubieten? Es waren lediglich Variationen/kleine Mutationen der Bund-Länder-Beschlüsse, gepaart mit modifizierter Ablehnung von teilweise durchaus sinnvollen Lockdown-Teilmaßnahmen. Substanziell widersprüchlich, inhaltlich zu schwach begründet, gleichwohl aber von zu vielen Ärzteverbänden (für mich besonders ärgerlich: DEGAM und Hausärzteverband!) völlig unkritisch unterstützt: Die eh' schon überlasteten Gesundheitsämter sollten eine neue (?) Priorität auf Fälle mit Bezug zu medizinischen und pflegerischen Einrichtungen oder Veranstaltungen mit vielen Infizierten legen. Diese Risikogruppen-adaptierten Maßnahmen unterscheiden sich damit aber kaum noch von regierungsamtlichen Bund-Länder-Runden. Die KBV-Spitze mit ihren beiden Professoren sind auch nicht die alleinvertretenden, krankheitpolitisch allwissenden Meinungsmacher und -führer in der internationalen CORONA-Debatte bzw. in Infektionsepidemiologie und Sozialpsychologie. Sie bewirken fahrlässig, Reste von Konsens bei der Bekämpfung von SARS-CoV-2-Infektionen und COVID-19-Erkrankungen zu zerstören.

Nah am COVID-19-Erkrankungsgeschehen haben sich die Deutschen Anästhesisten (BDA)/Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, die Nephrologen der DGfN und die Krankenhausgesellschaft DKG vom KBV-Papier distanziert.
Vgl.dazu
https://www.doccheck.com/de/detail/articles/30123-corona-strategien-perfekte-verwirrung

Mf+kG, Dr.med. Schätzler

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