"WannaCry"-Virus

Cyber-Attacke auf britische Kliniken und Hausärzte

Der Cyberangriff auf britische Kliniken hat offenbar auch bei britischen Hausärzten mehr Schaden angerichtet als zunächst vermutet. Ihre tägliche Arbeit wurde nach Informationen der "Ärzte Zeitung" erheblich behindert. IT-Schutzmaßnahmen sind jetzt wichtig – auch für deutsche Ärzte.

Arndt StrieglerVon Arndt Striegler Veröffentlicht:
Neben anderen Organisationen und Unternehmen weltweit waren in England mindestens 45 Kliniken, Gesundheitsverwaltungen und andere Organisationen des staatlichen Gesundheitsdienstes NHS vom jüngsten Hackerangriff "WannaCry" betroffen.

Neben anderen Organisationen und Unternehmen weltweit waren in England mindestens 45 Kliniken, Gesundheitsverwaltungen und andere Organisationen des staatlichen Gesundheitsdienstes NHS vom jüngsten Hackerangriff "WannaCry" betroffen.

© bluedesign / Fotolia

LONDON. Laut britischem Gesundheitsministerium waren von der Cyberattacke am Freitag mindestens 45 Kliniken, Gesundheitsverwaltungen und andere Organisationen des staatlichen Gesundheitsdienstes NHS betroffen, darunter auch große "Health Trusts", in denen Kliniken und andere NHS-Dienstleister organisiert sind und die teils für die Versorgung von mehreren hunderttausend Patienten verantwortlich sind.

Zunächst hatten die Medien berichtet, dass in erster Linie die NHS-Kliniken und die NHS-Verwaltung von den Hackern direkt angegriffen worden seien. Bis Samstagmorgen stellte sich heraus, dass auch die NHS-Hausärzte direkt und indirekt betroffen waren und noch immer betroffen sind. "Das hat meine Arbeit sehr erschwert", berichtete etwa ein Londoner Allgemeinmediziner: "Überweisungen waren teilweise nicht mehr möglich und mein Vertrauen in das NHS-Computersystem ist zu tiefst erschüttert!"

Offenbar kein Einzelfall. Recherchen der "Ärzte Zeitung" in London und Süd-England haben ergeben, dass dort offenbar zahlreiche Hausarztpraxen attackiert wurden. Eine genaue Zahl der betroffenen Hausarztpraxen zu geben, ist derzeit nicht möglich. Klar ist aber, dass außer in England auch Kliniken und Praxen in Schottland Opfer der Cyberattacke wurden.

Die unbekannten Angreifer hatten am Freitag IT-Systeme des NHS gehackt und Millionen Daten verschlüsselt und damit nicht länger zugänglich gemacht. Um die Daten zu entschlüsseln, fordern die unbekannten Angreifer, Lösegeld, zahlbar in Bitcoins. Das Londoner Gesundheitsministerium wollte auf Anfrage der "Ärzte Zeitung" weder bestätigen noch dementieren, dass Lösegeld gezahlt wurde. Zahlungen gelten nach derzeitigem Erkenntnisstand als unwahrscheinlich. Inzwischen haben britische und internationale Ermittler und auch das Bundeskriminalamt Ermittlöungern aufgenommen.

Ein Grund dafür, warum die Cyberattacke in England und Schottland offenbar besonders erfolgreich war ist die Tatsache, daß "bis zu 90 Prozent" der heute im Königreich verwendeten NHS-Computer veraltete Software haben. meist das mehr als 15 Jahre alte Windows Operating System Windows XP. Das Programm gilt als anfällig.

Als erste Konsequenz auf den Hackerangriff kündigte die britische Innenministerin Amber Rudd am Wochenende an, die IT-Systeme in Kliniken, Arztpraxen und Gesundheitsverwaltungen "modernisieren" zu wollen. "Wir müssen daraus lernen und unsere Software aktualisieren", sagte die Ministerin sichtlich geschockt vor Journalisten.

Ärztliche Berufsverbände begrüßten die Ankündigung und wiesen darauf hin, daß IT in den vergangenen Jahren von der britischen Gesundheitspolitik oftmals eher stiefmütterlich behandelt worden sei. "Da liegt einiges im Argen und es besteht gerade in den Hausarztpraxen ein enormer Aufholbedarf", so eine Sprecherin der britischen Ärztebundes, British Medical Association (BMA).

Lesen Sie dazu den Kommentar: NHS-Cyber-Attacke: Die Quittung für den Geiz

Lesen Sie dazu auch: Britischer Gesundheitsdienst: Cyber-Attacke offenbart Sorglosigkeit bei IT-Sicherheit

Wer sonst noch von der Cyber-Attacke „WannaCry“ betroffen war

Deutschland: Bei der Deutschen Bahn fielen Fahrplan-Anzeigen sowie einige Ticketautomaten und Überwachungskameras aus. Die Fahrbetrieb ging weiter. Zunächst wurden keine anderen betroffenen Unternehmen bekannt. Das Bundeskriminalamt leitete Ermittlungen ein, aber Netze der Bundesregierung waren nicht betroffen, wie das Innenministerium mitteilte.

Russland: Russland war laut IT-Sicherheitsexperten mit am härtesten betroffen. Im russischen Innenministerium erwischte es 1000 Computer. Dagegen seien Angriffe beim Gesundheitsministerium und der Ermittlungsbehörde abgewehrt worden, hieß es. Auch die größte russische Bank Sberbank kam glimpflich davon, beim Mobilfunkbetreiber Megafon fielen die Computer vieler Mitarbeiter aus.

Spanien: Das Land war unter den ersten, die betroffen waren. Lahmgelegte Computer wurden beim Telekom-Konzern Telefónica und dem Versorger Iberdrola gemeldet. Die Netze bei beiden funktionierten jedoch weiter.

Portugal: Auf der iberischen Halbinsel traf es auch Portugal. Der Telekom-Konzern Portugal Telecom (PT) riet den Mitarbeitern, alle Windows-Rechner herunterzufahren. Auch die Kunden von PT wurden gewarnt. Die PT-Website war am Freitagabend nicht abrufbar. Mehrere weitere Großfirmen wie das Medienunternehmen NOS, die Bank CGD und der Energieversorger EDP schalteten Firmenetze „vorsichtshalber“ ab.

Schweden: In Schweden fiel das Computersystem der Gemeinde Timrå dem Angriff zum Opfer. 70 Computer seien betroffen, hieß es auf der Webseite der Verwaltung. Kurz vor 15.00 Uhr am Freitag seien die Bildschirme der Mitarbeiter zuerst blau und dann schwarz geworden. Als sie die Rechner neu starteten, kam die Meldung, dass die Computer verschlüsselt seien.

USA: Nordamerika blieb weitgehend verschont, weil die Attacke am frühen Morgen lokaler Zeit gestoppt wurde. Allerdings sorgten die Angriffe für Behinderungen beim Paketdienst FedEx.

Frankreich: Der Autobauer Renault Der Autobauer Renault stoppte wegen der Angriffe die Produktion in einigen Werken, „um eine Ausbreitung der Schadsoftware zu verhindern“.

Taiwan: Der kleine Inselstaat südlich von China gilt als einer der Hauptziele der Hacker – genauso wie die Ukraine. (dpa)

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