Überraschende Umfrage-Ergebnisse

Darum sind Hausärzte im Nordosten doch glücklich

Überlastet, unzufrieden und unglücklich: Das sind die Hausärzte in Mecklenburg-Vorpommern - dachte man zumindest. Doch weit gefehlt, eine Studie der Uni Rostock beweist das Gegenteil: Die meisten Ärzte sind zufrieden - sogar die auf dem Land.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Ein Besuch der Windmühle von Woldegk lohnt sich: Die Landärzte in Mecklenburg-Vorpommern schätzen die zahlreichen Freizeitmöglichkeiten in der Natur.

Ein Besuch der Windmühle von Woldegk lohnt sich: Die Landärzte in Mecklenburg-Vorpommern schätzen die zahlreichen Freizeitmöglichkeiten in der Natur.

© Norbert Fellechner / imago

ROSTOCK. Hausarzt in Mecklenburg-Vorpommern: das wird bislang oft gleichgesetzt mit Arbeiten rund um die Uhr, geringer Bezahlung und hoher Unzufriedenheit mit der ausgeübten ärztlichen Tätigkeit.

Die Bezahlung hat die KV in den vergangenen Jahren bereits auf ein Niveau angehoben, das bundesweit für viele andere KVen als Vorbild dient.

Standhaft hielt sich aber das Bild vom Arzt, der sich allein auf weiter Flur um Patienten kümmern muss, keine Freizeit genießen kann und deshalb unzufrieden wird.

Überraschende Ergebnisse

Dieses Bild ist falsch, wie eine Studie des Instituts für Allgemeinmedizin an der Uni Rostock zeigt. Das für viele überraschende Ergebnis.

24 Prozent der Hausärzte antworteten auf die Frage "Wie zufrieden sind Sie derzeit in Ihrem Beruf?" mit "sehr zufrieden", 49 Prozent mit "eher zufrieden", 19 Prozent mit "mäßig zufrieden" und nur ein Prozent mit "sehr unzufrieden".

Die Studie zeigt auch, was die Ärzte konkret zu ihrer Beurteilung veranlasst hat und was sie an der Tätigkeit in Mecklenburg-Vorpommern stört.

Durch Einbeziehung von Faktoren wie Wertschätzung, Landleben, Arbeitsbelastung und Fortbildungen ermöglicht sie ein differenziertes Bild.

Gute Noten vergaben die Hausärzte im Fragebogen für ihr Verhältnis zu den Kollegen und zu den Mitarbeitern, für das Arzt-Patientenverhältnis, für die Einbindung in die Gemeinde und für das Leben im ländlichen Mecklenburg-Vorpommern.

Zumindest für Außenstehende überraschend dürfte der hohe (84 Prozent) Anteil der Hausärzte sein, die sich zufrieden mit dem Leben auf dem Land zeigen.

"Einen Mangel an kulturellen Angeboten nahmen immerhin 64 Prozent der Befragten nicht wahr", räumt die Studie mit einem weit verbreiteten Vorurteil auf.

Nur 22 Prozent stimmten der Aussage mit dem mangelnden kulturellen Angebot zu. Über 80 Prozent sind dagegen der Meinung, dass die zahlreichen Freizeitmöglichkeiten in der Natur ihre Lebensqualität steigern.

Damit bestätigt die Studie Aussagen von Ärzten aus der Region Woldegk, die sich in der Landarztkampagne des Springer Medizin Verlags und des AOK-Bundesverbandes ähnlich geäußert hatten.

Angemessenes Einkommen

Nicht ganz so positiv fällt die Zufriedenheit der Hausärzte mit folgenden Faktoren aus:

Patientenversorgung: Fast die Hälfte (48 Prozent) sind zufrieden bis sehr zufrieden, 40 Prozent ist mäßig zufrieden und zwölf Prozent eher unzufrieden. Ein Grund könnte darin liegen, dass Hausärzte auf dem Land ihre Patienten für die fachärztliche Abklärung meist in größere Städte überweisen müssen.

Vergütung: 53 Prozent der Teilnehmer empfinden ihr Einkommen als fair und angemessen, weitere 22 Prozent stimmen dem teilweise zu. Die Studienautoren raten zu einer vorsichtigen Interpretation dieses Ergebnisses: "Es handelt sich hier in erster Linie um den Einfluss einer als fair, angemessen und gerecht empfundenen Vergütung und nicht um die tatsächliche Höhe des Einkommens." 49 Prozent der Hausärzte sind der Meinung, dass ihr Einkommen verglichen mit spezialisierten Fachärzten nicht adäquat ist.

Wertschätzung: In Bezug auf die intrinsische Motivation äußerten sich 44 Prozent zufrieden bis sehr zufrieden und 87 Prozent gaben an, dass sie die hausärztliche Tätigkeit als persönliche Bereicherung empfinden. Aber: allein die Möglichkeit eines Arzneimittelregresses betrachten 84 Prozent als Geringschätzung ihrer Tätigkeit.

Es gibt aber auch Faktoren, die von den Hausärzten als überwiegend negativ eingeschätzt werden.

Dazu gehören die administrativen Verpflichtungen (52 Prozent unzufrieden) und die Arbeitsbelastung (57 Prozent unzufrieden). Ebenso viele meinen, dass die Zahl der zu betreuenden Patienten in den vergangenen Jahren stark angestiegen ist.

Im Fazit der Studienautoren wird die unter dem Strich hohe Zufriedenheit der Hausärzte hervorgehoben. Ziel sollte es sein, diese "in die öffentliche Debatte über den Mangel an hausärztlichen Nachwuchs einzubringen".

Die Studie "Hausärztliche Zufriedenheit in Mecklenburg-Vorpommern"

Für die Studie haben das Institut für Allgemeinmedizin und das Institut für Biostatistik und Informatik in Medizin und Altersforschung von der Unimedizin Rostock im Dezember 2011 einen Fragebogen an alle 1133 zu diesem Zeitpunkt im Land praktizierenden Hausärzte verschickt, der Rücklauf betrug 50 Prozent.

Für eine vorab vorgenommene explorative Studie wurden 18 Hausärzte aus ländlichen Regionen interviewt. In diesen Interviews hatte sich gezeigt, dass die Hausärzte die Möglichkeit, durch die Niederlassung Familie und Beruf miteinander vereinbaren zu können, als besonders positiv empfinden. Auch das breite Spektrum der Tätigkeit wurde hervorgehoben. Aus den Interviews wurden dann Hypothesen entwickelt, die in den Fragebogen einflossen.

Die Studie wurde vom Sozialministerium gefördert. Zweidrittel der Teilnehmer sind in der Stadt, 56 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern aufgewachsen. 28 Prozent von ihnen gaben an, dass sie die Suche nach einem Nachfolger belastet. 18 Prozent finden es schwierig, eine gute Kindertagesstätte oder Schule zu finden. Einmalige finanzielle Anreize waren nur für fünf Prozent eine Motivation zur Niederlassung.(di)

Die "Ärzte Zeitung" und AOK suchen einen Landarzt. Mehr Informationen zur Initiative finden Sie hier.

Lesen Sie dazu auch: Der Standpunkt: Wider den Vorurteilen

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

238 Abgeordneten legen Gesetzentwurf vor

Gesetzesvorstoß zum Schwangerschaftsabbruch empört Union

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Neurologische Entwicklungsstörungen

Epilepsie in der Schwangerschaft: Start mit Lamotrigin empfohlen

Lesetipps
Ein Mann hat Kopfweh und fasst sich mit beiden Händen an die Schläfen.

© Damir Khabirov / stock.adobe.com

Studie der Unimedizin Greifswald

Neurologin: Bei Post-COVID-Kopfschmerzen antiinflammatorisch behandeln

Der gelbe Impfausweis

© © mpix-foto / stock.adobe.com

Digitaler Impfnachweis

eImpfpass: Warum das gelbe Heft noch nicht ausgedient hat

Ein Aquarell des Bundestags

© undrey / stock.adobe.com

Wochenkolumne aus Berlin

Die Glaskuppel zum Ampel-Aus: Eigenlob und davon in rauen Mengen