Diabetes

"Der Kampf ist grandios gescheitert"

800 Menschen in Deutschland erkranken täglich neu an Diabetes. Dagegen wird nicht genug getan, kritisieren Experten einhellig. Der Ruf nach einem Präventionsgesetz und Steuern auf Cola, Chips und andere Dickmacher wird lauter.

Von Marco Hübner Veröffentlicht:
Flüssige Kalorien: Geht es nach Diabetes-Experten, müssten Softdrinks und Co höher besteuert werden.

Flüssige Kalorien: Geht es nach Diabetes-Experten, müssten Softdrinks und Co höher besteuert werden.

© Jens Wolf / dpa

BERLIN. "Der Kampf gegen Diabetes ist grandios gescheitert." Diese Auffassung hat Dr. Dietrich Garlichs von der Deutschen Diabetes Gesellschaft beim zweiten Cognomed Branchentreff Diabetes in Berlin vertreten.

Nach Schätzungen des RKI und verschiedener Krankenkassen liegt die Zahl der an Diabetes erkrankten Menschen bei deutlich über sechs Millionen. Ihre Zahl, so die düsteren Prognosen, könnte sich in den nächsten 15 Jahren nahezu verdoppeln. Das Land brauche eine nationale Diabetes-Strategie, forderte Garlichs.

Dazu gehöre neben einem Präventionsgesetz auch eine Steuer auf besonders kalorienhaltige Lebensmittel - etwa nach dem Vorbild anderer europäischer Länder, wie Finnland, Ungarn oder Frankreich.

Die Regierung hat ein Präventionsgesetz bereits angekündigt. Es werde noch in diesem Jahr kommen, versicherte der CDU-Gesundheitspolitiker Dietrich Monstadt. "Die auf uns zurollende Welle von Diabeteserkrankungen muss gestoppt werden", betonte er.

Obwohl nicht wörtlich im Koalitionsvertrag erwähnt, müsse das Thema Diabetes in der Gesundheitspolitik eine größere Rolle spielen, vor allem die Diabetes-Prävention im Kindesalter, sagte Monstadt. Erste Maßnahme: Aufklärung der Bürger im Stile der Anti-Raucher-Kampagnen.

Zudem soll es künftig einen speziellen Berichterstatter für Diabetes samt Arbeitsgruppe im Gesundheitsausschuss geben. Diese Vorschläge wollte Monstadt am vergangenen Donnerstag mit Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) erörtern.

Aktuell Betroffenen könne mit modernen Arzneimitteltherapien geholfen werden, sagte Diabetes-Experte Professor Hellmut Mehnert vom Vorstand der Forschergruppe Diabetes am Helmholtz-Zentrum. Er bekräftigte seine Forderung, bei der Versorgung von Typ-2-Diabetikern neue Wirkstoffe einzusetzen.

In diesem Zusammenhang verwies er ausdrücklich auf die Vorzüge von DPP-4-Inhibitoren im Vergleich zu Sulfonylharnstoffen - insbesondere mit Blick auf die Vermeidung von Hypoglykämien. Er sprach sich ebenfalls für den Einsatz von SGLT-2-Hemmern aus. "Sie senken nicht nur den Blutzucker, sie bewirken zusätzlich eine Gewichtsreduktion bei den Patienten", sagte Mehnert.

Außer auf Arzneien hoffen Experten besonders auf neue Versorgungskonzepte. Dr. Nikolaus Scheper, Leiter einer großen diabetologischen Schwerpunktpraxis in Marl, zeigte sich überzeugt: "Wir brauchen eine Art Verbundsystem mit dem Hausarzt als Kapitän."

Er könne den Patienten als Koordinator im System der Schwerpunktpraxen und stationären Einrichtungen zu mehr Lebensqualität verhelfen.

Lesen Sie dazu auch: Diabetes-Therapie: Kliniken suchen den Schulterschluss

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