Diabetes-Therapie
Kliniken suchen den Schulterschluss
In der Versorgung von Diabetikern fehlen kooperative Strukturen. Diese könnten medizinische Komplikationen, Arbeitsausfälle und Frühverrentungen vermeiden helfen. Die kosten ein Vielfaches der eigentlichen Behandlung der Kranken.
Veröffentlicht:BERLIN. Diabetiker brauchen mehr denn je eine sektorenübergreifende Versorgung. Die Anstrengungen, die bisher im Rahmen der kollektivvertraglichen Versorgung unternommen worden sind, werden der aktuellen Lage nicht gerecht.
Dieses Resümee haben Experten auf der Cognomed-Veranstaltung "Diabetesversorgung in Deutschland - wann kommt der Durchbruch?!" gezogen.
Speziell Krankenhäuser sehen sich zunehmend im Hintertreffen. "Zwischen 20 und 30 Prozent der Patienten kommen mit der Nebendiagnose Diabetes in eine Klinik", sagte Dr. Erhard Siegel, Präsident der Deutschen Diabetesgesellschaft und Chefarzt am St. Josefskrankenhaus in Heidelberg.
Das mache viele Behandlungen aufwendiger: Das Einstellen des Blutzuckers vor Operationen sei schwierig, Wunden heilten langsamer und benötigten mehr Nachsorge.
Nach wie vor verfügten jedoch zu wenige Häuser über DiabetesExpertise. Es komme bei dieser Patientengruppe daher zu mehr Komplikationen als bei Patienten ohne Diabetes. Das habe großes Leid für Erkrankte und hohe Kosten für die Kassen zur Folge.
Komplikationen und die damit einhergehende stationäre Behandlung schlagen im Schnitt mit 1965 Euro pro Patient zu Buche. Das sind mehr als die Hälfte der 3835 Euro im Jahr, die die Kostenträger je Diabetespatient im Jahr insgesamt aufwenden, wie die CoDIM-Studie (Direct costs of diabetes mellitus in Germany) ergeben hat.
Die überproportional alternde Bevölkerung und die damit steigende Inzidenz von Diabetes werde diese Tendenz zu steigenden Zusatzkosten anhalten lassen. Die Grundversorgung macht mit 542 Euro je Patient und Jahr demnach den geringeren Teil aus.
Schwerer Abschied von Konventionen
"Soll die Versorgungsrealität unter diesen Bedingungen besser werden, muss es mehr Einrichtungen geben, die spezialisiert und über die Sektorengrenzen hinaus behandeln", sagte Siegel.
Ein erster Schritt soll sein, gemeinsam mit dem Deutschen Hausärzteverband sektorübergreifende Versorgung zu gestalten - in die die Kliniken eingebunden werden, betonte Siegel. Große Hoffnung setzt er in Versorgungsverträge, wie etwa nach dem Muster von "Pro Versorgung".
Hausärzte, Diabetologische Schwerpunkteinrichtungen und Krankenhäuser sind dort vertraglich verbunden. Dies befördere eine qualitativ bessere und wirtschaftlichere Behandlung. Siegel ist überzeugt: Beispielsweise Krankenhauseinweisungen und Doppeluntersuchungen ließen sich damit vermeiden.
Auch Dr. Nikolaus Scheper, der eine große diabetologische Schwerpunktpraxis in Marl leitet, gibt solchen Versorgungsmodellen den Vorzug, die den stationären Bereich mit einschließen. Dazu eigneten sich Verträge nach Paragraph 140a ff. SGB V (Integrierte Versorgung) eher als die Hausarztzentrierte Versorgung (73 b) in Kombination mit Facharztverträgen nach Paragraph 73 c.
Der Abschied von Konventionen in der Versorgungslandschaft falle den Deutschen allerdings schwer: "Zu wenige trauen sich an die neuen Vertragsmodelle heran", bemerkte Siegel.
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