Organspende
Der Wille ist da
Den bekannt gewordenen Skandalen zum Trotz: In Deutschland gibt es immer mehr Menschen mit Organspende-Ausweisen. Auch die Bereitschaft zur Organspende ist unverändert hoch. Das Problem sinkender Spenderzahlen scheint woanders zu liegen.
Veröffentlicht:KÖLN. Trotz der Skandale in der Transplantationsmedizin besitzt mittlerweile beinahe jeder dritte Bundesbürger einen Organspendeausweis. Allein im vergangenen Jahr sei die Zahl der Bürger mit einem solchen Kärtchen um sechs auf 28 Prozent gestiegen, berichtet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) am Freitag in Köln.
Die Zahlen basieren auf einer repräsentativen Befragung der Behörde aus dem vergangenen August und September unter 4003 Bürgern.
Seit November 2012 müssen die Krankenkassen ihre Versicherten alle zwei Jahre mit Organspendeausweisen und Informationen dazu versorgen. Die BZgA stellt das Material dafür. Im vergangenen Jahr hat die Kölner Zentrale rund acht Millionen Euro Budget für ihre Organspende-Kampagnen zur Verfügung gehabt.
Die Kassenkampagne scheint offenbar schon jetzt Früchte zu tragen, wie sich aus den Zahlen der BZgA zumindest schließen lässt. Zwar gaben in der Umfrage nur 36 Prozent an, von ihrer Krankenkasse einen Organspendeausweis erhalten zu haben. Davon haben aber ganze 61 Prozent das Pappkärtchen ausgefüllt.
Dass der Anteil jener so hoch liegt, die meinen, keinen Ausweis erhalten zu haben, lässt sich damit erklären, dass Post von der Krankenkasse als Werbung angesehen werden und somit direkt im Papierkorb landen könnte.
Auffallend an den BZgA-Zahlen ist zudem die Diskrepanz zwischen einer positiven Einstellung zur Organspende und dem Besitz eines Ausweises. Denn immer noch immer ist die große Mehrheit der Bürger (78 Prozent) grundsätzlich positiv zur Organspende eingestellt - ein Wert wie in den Jahren zuvor. Bloß die Konversion hin zu mehr Organspenden gelingt in Deutschland offenbar nicht.
Wirklich gelitten hat im vergangenen Jahr denn auch die aktive Akzeptanz, also die ganz persönliche Bereitschaft, selbst Organe zu spenden: "Nur" noch 68 Prozent sind dazu bereit. Das ist ein deutliches Minus im Vergleich zu 2010 - damals waren es noch 74 Prozent. Auch hier gibt es ein riesiges Delta zu jenen, die tatsächlich einen Ausweis besitzen.
Mindestens mitverantwortlich für den Abrutsch dürften die bekannt gewordenen Manipulationen bei der Vergabe von Spenderlebern sein. Tatsächlich hat in der Umfrage knapp jeder Zweite (48 Prozent) angegeben, durch die Vorfälle Vertrauen verloren zu haben. Aber es gibt Licht am Horizont: Denn für fast genauso viele Bürger (43 Prozent) haben die Skandale nichts an ihrem Vertrauen in die Organspende geändert.
Tatsächlich sind Göttingen, München und Co. aber ein neuer Ablehnungsgrund geworden. Mittlerweile 53 Prozent der Verweigerer nennen die Gefahr der ungerechten Organverteilung als Grund contra Organspende. In den BZgA-Studien der Jahre 2012 und 2010 war diese Antwortmöglichkeit noch nicht gegeben.
Etwas Subtiler sind jedoch die weiteren Gründe für die Ablehnung. Auch im vergangenen Jahr nannte ein überwiegender Teil (60 Prozent) die Furcht vor Organhandel als primären Ablehnungsgrund. Auch in den Jahren zuvor rangierte diese Antwort auf den vorderen Plätzen (2012: 67 Prozent, 2010: 23 Prozent).
Ebenso die Antwort, man könne und wolle sich jetzt noch nicht entscheiden, wird seither mit am häufigsten genannt. Im vergangenen Jahr gaben 57 Prozent dies als Grund an. 2012 waren es 62 Prozent, 2010 waren es 55 Prozent.
Schon diese Zahlen zeigen, dass es nach wie vor Nachholbedarf bei dem Wissensstand in der Bevölkerung über das Thema Organspende gibt - nicht nur, um mit Vorurteilen wie Organhandel und Co. aufzuräumen. Nur 50 Prozent fühlen sich der BZgA-Umfrage zufolge gut über Organspende informiert, der Rest nur mäßig oder gar schlecht.
Wenngleich sich die Situation seit 2012 um vier Prozentpunkte verbessert hat, liegt sicherlich an dieser Stelle ein Schlüssel zu noch mehr Akzeptanz der Organspende.
Einen Wissenszuwachs scheint es hingegen beim Umgang mit Patientenverfügungen zu geben: 44 Prozent derjenigen, die ein solches Dokument besitzen, haben sich darin zur Organspende geäußert. 2012 waren es noch 40 Prozent. Das zeigt, dass sich immer mehr Menschen mit dem Thema Patientenverfügung auseinandersetzen.
Erhellend sind schließlich die Gründe der Menschen, die sich für die Organspende entschieden haben: Etwa gleich viele entscheiden sich aus einem altruistischen Motiv ("Ich möchte helfen") oder aus Eigennutz ("Wäre selbst froh, ein Organ zu erhalten") - 90 beziehungsweise 88 Prozent. Und mit 65 Prozent ebenfalls eine Mehrheit nennt als Grund, ihre Angehörigen nicht mit dieser Entscheidung belasten zu wollen. (nös)