Transplantationsmedizin

Ein Jahr Organspende-Register – und viel Luft nach oben

Seit März 2024 können die Bundesbürger ihre Haltung zur Organspende auch online dokumentieren. Ärzte sollen so schneller die Spendebereitschaft ermitteln. Lässt sich die Zahl der Organspenden dadurch erhöhen?

Veröffentlicht:
Eine Box, auf der Human Organ steht, steht in einem Operationssaal.

Lebensrettendes Organ im Fokus: Seit März 2024 können Bundesbürger in einem Online-Register ihre Haltung zur Organspende dokumentieren.

© Mathias Ernert / Universitätsklinikum Heidelberg

Berlin. Die Vorarbeiten beanspruchten viel Zeit – deutlich mehr, als vom Gesetzgeber ursprünglich geplant. Am 18. März 2024, vor genau einem Jahr, konnte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach schließlich Vollzug beim Organspende-Register melden.

Der Start des Internetportals, erklärte der SPD-Politiker damals vor Journalisten, sei ein „wichtiger Meilenstein“, um mehr Organspenden zu ermöglichen. Zum ersten Mal bestehe auch die Möglichkeit, seine Bereitschaft zur Organ- und zur Gewebespende online zu hinterlegen. Ärzte könnten dadurch auf „schnelle und zuverlässige Weise“ die Spendebereitschaft eines potenziellen Spenders ermitteln.

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Nach einem Jahr liege die Zahl der im Register hinterlegten Erklärungen bei rund 274.250, erklärt ein Sprecher des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf Anfrage. Das BfArM ist technischer Betreiber des Registers. Etwa 192.900 Erklärungen sind den Angaben zufolge per eID abgegeben worden, rund 81.400 über den Weg der Kassen-Apps. Letzteres ist seit Juli 2024 möglich.

Zur Einordnung: In das Register eintragen können sich alle Volljährigen – davon gibt es rund 60 Millionen in Deutschland. Somit liegt die Zahl der Register-Einträge derzeit bei unter einem Prozent.

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Erklärungen freiwillig und kostenlos

Jede und jeder kann im Register freiwillig und kostenlos eine Erklärung eingeben. Der Eintrag kann geändert oder gelöscht werden. Bisherige Erklärungen sind wie folgt verteilt: Gut 83 Prozent sind „vollumfassend“ – sie dokumentieren uneingeschränkte Zustimmung zur Organ- und Gewebespende. Knapp acht Prozent enthalten Widersprüche gegen jede Art von Organ- und Gewebespende (siehe nachfolgende Grafik).

Rund sieben Prozent der Erklärungen sind „exkludierender“ oder „inkludierender“ Natur: Mit der Erklärung ist die Spendebereitschaft zwar gegeben, einzelne Organe und Gewebe werden aber ausgeschlossen oder von ihm zu spendende Organe explizit benannt. In rund 1,6 Prozent der Erklärungen ist eine andere Person für die Entscheidung bestimmt.

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Angeschlossen an das Register sind mittlerweile 100 Prozent der A- und B-Krankenhäuser sowie 96,3 Prozent der C-Häuser – Kategorie A umfasst Universitätskliniken, Kategorie B Krankenhäuser, die über eine Neurochirurgie verfügen, und Kategorie C Häuer ohne Neurochirurgie.

Nahezu alle Krankenhäuser angeschlossen

Eine Registerabfrage durch das Krankenhaus unterliegt strengen Vorgaben: Bei den Abrufberechtigten handelt es sich ausschließlich um Ärzte und Transplantationsbeauftragte. Diese werden vom Krankenhaus gegenüber dem Register „benannt“ und müssen sich vor der Suche nach einer Erklärung im Register authentifizieren.

Zudem müssen die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Organ- oder Gewebeentnahme vorliegen: Das ist dann der Fall, wenn der Hirntod unmittelbar bevorsteht, vermutlich bereits eingetreten ist oder schon festgestellt wurde.

Fachleute sehen in der Anbindung der Kliniken an das Register eine wichtige Voraussetzung für mehr Organspenden und Transplantationen. Die Zahl der Spender stagniert hierzulande seit Jahren auf niedrigem Niveau.

Laut Deutscher Stiftung Organspende spendeten 2024 insgesamt 953 Menschen in Deutschland nach dem Tod Organe – ein Jahr zuvor waren es 965 (siehe nachfolgende Grafik). Mit 11,4 Spendern pro Million Einwohner nehme Deutschland im internationalen Vergleich weiter einen der hinteren Plätze ein.

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Im internationalen Vergleich weit hinten

Übertragen wurden in hiesigen Transplantationszentren vergangenes Jahr 3.013 Organe nach postmortaler Spende aus Deutschland und anderen Ländern im Eurotransplant-Verbund, im Jahr 2023 waren es 2.986. Gleichzeitig stehen noch immer mehr als 8.200 Menschen auf den Wartelisten für ein Organ (siehe nachfolgende Grafik).

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Das ist auch ein Grund gewesen, warum sich der Bundestag Anfang 2020 für eine Reform der Organspende entschieden hat. Seither gilt in Deutschland die Entscheidungslösung. Deren Befürworter hatten sich damals gegen die Anhänger der Widerspruchsregelung durchgesetzt.

Die Diskussion um die Organspende ist damit nicht beendet. Befürworter des Organspende-Registers sehen mit dem Verzeichnis einen großen Schritt getan, um auf die Widerspruchslösung umzusteigen.

Im Juli 2024 hat der Bundesrat einen Gesetzentwurf zur Einführung der Widerspruchsregelung beschlossen. Eine fraktionsübergreifende Gruppe von Abgeordneten macht sich ebenfalls für diese Regelung stark. Einer der Initiatoren ist der Arzt und Grünen-Abgeordnete Armin Grau.

Grau: „Wachstumskurve leider viel zu flach“

Grau sieht das Organspende-Register auf gutem Weg. Die Zahl der Einschreibungen wachse stetig an, sagt er der Ärzte Zeitung. Grau fügt aber hinzu, die Wachstumskurve sei leider „viel zu flach“.

Für einen Eintrag im Register brauche es einen Ausweis mit Online-Funktion und ein Smartphone oder einen PC mit Kartenlesegerät. „Für manche Menschen stellt das eine Hürde dar.“ Daher solle über zusätzliche Hilfen und Vereinfachungen beim Eintrag nachgedacht werden und wie sich stärker für die Nutzung des Registers werben lasse.

Mit Blick auf die Widerspruchsregelung gehe er „fest“ davon aus, dass es zu Beginn der neuen Legislaturperiode einen weiteren Anlauf für einen entsprechenden Gesetzentwurf gibt, so Grau. Die Anhörung im Gesundheitsausschuss im Februar habe nochmals „wichtige Hinweise“ geliefert.

In der Anhörung wurde allerdings auch Kritik laut. Der frühere Vorsitzende des Ethikrates, Professor Peter Dabrock, erklärte, der Flaschenhals im Organgewinnungsprozess sei nicht die Spendebereitschaft der Bevölkerung. „Entscheidend ist, dass es dem System nicht gelingt, die Zahl der organspendebezogenen Kontakte signifikant zu steigern.“ Hier trete Deutschland auf der Stelle. (hom)

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