Lieferengpässe und Rabattschlacht
Deutschland verfehlt Grippe-Impfziele drastisch
Deutschland hinkt nicht nur bei der von der EU empfohlenen Grippe-Impfquote hinterher: Auch die Versorgungssicherheit sei in Gefahr, warnt ein Hersteller. Und die Probleme seien größtenteils hausgemacht.
Veröffentlicht:BERLIN. Nur noch wenige Millionen Euro sparen die gesetzlichen Krankenkassen mit der Ausschreibung von Grippe-Impfstoffen. Der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlene Schutz durch Vierfach-Impfstoffe ist für gesetzlich Krankenversicherte in Deutschland praktisch nicht realisierbar.
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Grafik zum Thema: Konzentration auf dem Impfstoffmarkt (Größe: 8,0 MByte)
So lautet das Fazit des in Deutschland und der Welt führenden Impfstoff-Herstellers GlaxoSmithKline. Er sieht wesentliche Ziele der Grippeschutzimpfung in Deutschland als verfehlt an.
EU-Ziel einer Impfquote von 75 Prozent. Das wird in Deutschland drastisch verfehlt. Auch bei den Hauptzielgruppen der Grippeschutzimpfung werden die Zielquoten bei weitem nicht erreicht. Senioren: 50 Prozent; chronisch Kranke: 40 Prozent; medizinisches Personal: 35 Prozent. Tendenziell seien die Impfquoten rückläufig.
Konzentration auf zwei Hauptanbieter
Versorgungssicherheit: Um Lieferengpässe bei einem Hersteller kompensieren zu können, sollten Alternativen zur Verfügung stehen. Es sollten daher keine Exklusivverträge abgeschlossen werden.
Mit ihren Ausschreibungsverfahren haben die es die Krankenkassen jedoch geschafft, aus dem Kreis der elf potenziellen Anbieter von Grippeimpfstoffen die Versorgung auf zwei Hauptanbieter zu konzentrieren: Mylan mit einem Marktanteil von 71 Prozent und Sanofi-Pasteur mit einem Marktanteil von 23 Prozent. GlaxoSmithKline hat sich nach eigenen Angaben aus dem deutschen Markt für Grippeimpfstoffe zurückgezogen.
Zugang zu möglichst breiten Impfschutz mit Vierfach-Impfstoff: Für gesetzlich Krankenversicherte ist der Zugang de facto ausgeschlossen, Rabattverträge sind aufgrund der Konditionen der GKV nur für Dreifach-Impfstoffe realisiert.
Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt allerdings den Vierfach-Impfstoff, wo er produktionstechnisch verfügbar ist. GSK produziert ihn in seinem Werk in Dresden; die gesamte Produktion gehe allerdings zwangsläufig in den Export.
Preise auf unterstem EU-Niveau
Wirtschaftliche Versorgung: Seit einiger Zeit wird in Deutschland ein Referenzierungsverfahren genutzt, mit dem die Preise für Deutschland auf das untere EU-Niveau geschleust worden sind. Das hat nach Angaben von GSK dazu geführt, dass das Ausgabenniveau um 57 Prozent auf 130 Millionen Euro (bei konstanten Mengen) sinkt.
Eine Einzeldosis kostet im Schnitt noch 6,43 Euro. Mit dem Ausschreibungs-Wettbewerb erzielen die Krankenkassen nochmals Preisnachlässe zwischen fünf und 15 Prozent, also eine Ausgabenersparnis in der Größenordnung zwischen 7,5 und 22 Millionen Euro.
Kompetenz in Technologie und Produktion: GlaxoSmithKline als weltweit führender Anbieter von Impfstoffen - und einer der sehr wenigen mit einem Voll-Sortiment - betreibt in Deutschland zwei Standorte: Dresden und Marburg. In den vergangenen Jahren wurden im Dresdner Werk 370 Millionen Euro in Sachanlagen investiert.
An den beiden Standorten sind rund 2000 Mitarbeiter tätig, die Impfstoffe für den Export in 70 Länder produzieren. Die Entscheidung für den Ausbau und die Investitionen am Standort Dresden, so betont GSK-Geschäftsführer Dr. Sang-Jin Pak, ist langfristiger Natur.
Er fügt allerdings hinzu: "Über die Tatsache, dass 99 Prozent des Vierfach-Grippeimpfstoffs in den Export gehen, ist bei uns im Konzern niemand glücklich. Das ist nicht nachhaltig."