Deutschland wird dicker

Zu dick und depressiv: Eine RKI-Studie deckt schonungslos auf, wie krank die Bundesbürger sind. Gesundheitsminister Bahr ist alarmiert - glaubt aber, einen Ausweg gefunden zu haben.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Kein seltenes Bild.

Kein seltenes Bild.

© geronimo / fotolia.com

BERLIN. Junge Männer werden immer dicker, der Anteil der Diabetiker in der Bevölkerung nimmt zu und vermutlich steigt die Zahl psychisch kranke Menschen.

Das zeigt die "Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland" (DEGS), aus der das Bundesgesundheitsministerium und das Robert Koch-Institut am Donnerstag erste Ergebnisse vorgelegt haben (Bundesgesundheitsblatt 2012; online im August).

Demnach geht ein knappes Viertel der Bevölkerung in Deutschland mit einem Body-Mass-Index von mehr als 30 durchs Leben und gilt daher als adipös. Aktuell sind etwa 23,3 Prozent der Männer und 23,9 Prozent der Frauen extrem adipös.

Vor 14 Jahren waren es 18,9 Prozent der Männer und 22,5 Prozent der Frauen. Besonders bei den jungen Männern habe die Prävalenz seit der Vorgängerstudie von 1998, dem Bundesgesundheitssurvey (BGS98), deutlich zugenommen.

Ebenfalls stark - nämlich um 31,5 Prozent bei den Männern und 23 Prozent bei den Frauen - habe der Anteil der Diabetiker zugenommen. Er betrage nun 7,1 beziehungsweise 7,5 Prozent, heißt es in der Studie.

Bahr: Marketing alleine reicht nicht

1,5 Prozent der rund 8000 Befragten gaben zudem an, dass ein Arzt oder Psychotherapeut bei ihnen in den letzten zwölf Monaten Burn-out diagnostiziert habe.

Nahezu jeder vierte Mann und jede dritte Frau haben an einer voll ausgeprägten psychischen Störung gelitten. Am häufigsten seien Angststörungen und Depressionen.

Es gebe Hinweise darauf, dass psychische Störungen in der Bevölkerung zunähmen, sagte Professor Hans-Ulrich Wittchen von der TU Dresden. Vergleichszahlen nannte er nicht.

Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) betonte, dass angesichts der Studienergebnisse kritisch geprüft werden müsse, ob die Präventionsmaßnahmen der Kassen tatsächlich alle Menschen erreichten.

"Marketingmaßnahmen allein reichen nicht, um die Menschen zu mehr Prävention zu motivieren", so Bahr. Daher wolle die Koalition künftig stärker Betriebe in die Pflicht nehmen, sich um das Wohl ihrer Mitarbeiter zu kümmern.

Problem falscher Ernährung

Auch Ärzte sollen mehr in Prävention eingebunden werden. Schließlich hätten sie einen guten Zugang zu den Patienten. Die Koalition plant, im Herbst eine nationale Präventionsstrategie vorzustellen.

Die Grünen warfen der Bundesregierung vor, die Verantwortung für Prävention den Bürgern zuzuschieben. Diese hätten aber gar nicht die Möglichkeit, sich umfassend über Ernährung zu informieren.

"Ein Grund für das erschreckende Ergebnis ist der falsch erlernte Ernährungsstil", sagte Grünen-Politikerin Nicole Maisch.

Die aktuellen Daten der Studie wurden von 2008 bis 2012 erhoben. Es wurden 8242 Menschen in 180 Orten in Deutschland befragt. Zum Vergleich wurde eine Studie aus dem Jahr 1998 heran gezogen.

Professor Bärbel-Maria Kurth vom RKI betonte, dass die Ergebnisse nur "die Spitze des Eisbergs" seien: "Die Daten werden in den kommenden Monaten ausgewertet".

Ihr Newsletter zum Thema
Lesen sie auch
Mehr zum Thema
Kommentare
Dipl.-Psych. Wolfgang Ebers 14.06.201219:53 Uhr

Zu dick ? Wieso - wir wollen doch Wachstum ...


Diese Gesellschaft macht krank, weil sie ihre Mitglieder vor falschen Werten und Zielen nicht schützt, den Einzelnen immer mehr ausbeutet und dadurch Arbeit nicht Sinn-gebend aufteilt sondern Hoffnungslosigkeit wie Kontrollverlust des Einzelnen schürt und Selbstwertaufbau verhindert. Also: Gönn Dir was, friß dich voll Du hast eh wenig Frei-Zeit. Früh sterben ist eh sinnvoll, wenn die Rente zu klein ist und die Anzahl der Rentner zu groß. Angst essen Seele auf - Angst nicht mehr konsumieren zu können, die nicht-notwendigen Rechnungen (BMW-Rate, 50"-HD-Flat-Screen-Rate+ etliche 0-%-Finanzierungen,Smart+Pay-TV-Kosten) und die notwendigen Rechnungen (Miete, Sinn-volle Förderung der Kinder, gute Nahrung, Heizung etc.) nicht bezahlen zu können - dies alles macht noch mehr Angst - der Anstieg der psychosomatischen Erkrankungen ist ein ehrlicher Beleg für die Freude in der Konsumgesellschaft leben zu dürfen. Macht nix - ist gut so: Alles hat halt seinen Preis!
Auch wenn man merkt, daß man selbst betroffen ist: Schade ist man in der Statistik halt dummerweise auf der falschen Seite. Also: Kopf hoch, weiter geht`s und guten Appetit!

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Vorstoß von Arbeitgebern und Ökonomen

Unbezahlter Krankheitstag? Ringen um Lohnfortzahlung geht in neue Runde

Lesetipps
Frau auf Hometrainer-Fahrrad

© Manuel / stock.adobe.com

Randomisierte kontrollierte Studie

Herzinsuffizienz: Welchen Einfluss Training wirklich hat

Wie sicher ist die ePA für alle? Diese Frage stellt sich wieder, nachdem der Chaos Computer Club zahlreiche Angriffsszenarien durchgespielt hat.

© Christian Ohde / CHROMORANGE / picture alliance

Chaos Computer Club deckt Sicherheitslücken auf

Erstaunlich: So einfach gelingen Angriffe auf die ePA